Ausstellung Was kriecht und kreucht denn da?

In den Niederlanden entstanden: wabenförmige Skulpturen der Werkgruppe mit dem seltsamen Namen „Tnösis“ von Gereon Krebber. © Glaskasten
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„Ich kam mir vor wie ein Schuljunge“, bekennt ein gestandener Professor der Kunstakademie Düsseldorf. Ein solch offenherziges Resümee zieht Gereon Krebber, einer der originellsten deutschen Bildhauer, nach fünf Monaten als Stipendiat am Europäischen Keramischen Werkzentrum der Niederlande in der Gemeinde Oisterwijk in Nordbrabant.

Zum ersten Mal in einem Museum zu sehen

Was dort entstand, ist nach Stationen in Miami, New York und einer Kölner Galerie nun zum ersten Mal in einem Museum zu sehen. Museumsdirektor Georg Elben hat sich die skurrilen Arbeiten zum Abschied vom Glaskasten für eine Werkschau mit Keramiken aus zwei Jahrzehnten gesichert. Es ist eine reizvolle Ausstellung, die mannigfache Fragen zum heutigen, geschärften Verständnis von Ästhetik aufwirft.

Von Frischhaltefolie über Haargel bis zu Haferflocken

Mit der Ästhetik hat es bei diesem Künstler eine besondere Bewandtnis. Der 48-Jährige begeistert sich seit jeher für banale Materialien, die man mit Kunst wohl kaum verbindet. Glänzende Frischhaltefolie, Gelatine, Haargel, Silikon, Styropor, Bauschaum, Expozidhart, Sprühlack und sogar Haferflocken sind dem Bildhauer für seine skurrilen Skulpturen willkommen. Den Trash-Effekt, ja sogar die Anmutung von Ekel, die er damit verknüpft, spart Gereon Krebber auch in seinen Keramiken nicht aus.

Er wurde mit Preisen überhäuft

Sein eigener Ofen im Kölner Atelier erlaubte dem mit Preisen überhäuften, 2007 mit dem Kunstpreis Junger Westen ausgezeichneten Künstler allenfalls kleine Formate. In den Niederlanden hat er die japanische Hochtemperaturtechnik entdeckt. Bei bis zu 1260 Grad bis zu sechs Mal gebrannt, verformen sich seine Skulpturen bis zur Zerstörung der vorgefertigten Form. Dieses Wechselspiel von kreativer Schöpfung und Zerstörung mündet in eine Symbiose. Sie vereint Widersprüche in etwas Neuem.

Gängige, glatte Ästhetik unterläuft er

Gängige, glatte Ästhetik unterläuft der Künstler durch den Mut zum Kruden, zu einer auf den ersten Blick ganz und gar nicht gefälligen Form. In einer älteren grauen Arbeit mutet eine Fülle kleiner Kringel an wie wimmelndes Gewürm, das aus einer aufgeplatzten Betonform kriecht. In den Niederlanden entstanden ist eine Serie von glänzend bräunlichen aufgeplatzten Panzern mit raupenförmigem Innenleben. Dort entstand auch die Werkgruppe der fünf Wülste, die in ihrer Schichtung, wie man sie in der Keramik seit jeher zum Aufbau von Gefäßen nutzt, auf den ersten Blick wie Waben mit Deckeln anmuten. Wären da nicht die aufgeplatzten, rachenförmigen Enden, die sich unheilvoll abspreizen.

Erinnerung an den Anschlag auf die Twin Tower

Noch deutlicher wird der Gefährdungsmoment in einer Serie von architektonisch anmutenden, leicht schiefen Rasterquadraten. Hier sind die Seiten weggeschmolzen. Da liegt die Erinnerung an den terroristischen Anschlag auf die New Yorker Twin Tower am 11. September vor 20 Jahren nicht fern. Entfernt an die Geister des Bildhauer-Kollegen Thomas Schütte gemahnt eine Serie von Tintenfisch-Skulpturen, die sich in Marl auf das Schönste zu einer Wandrelief-Komposition vereinen. An die Mützen von Schlümpfen oder – mit historischem Verweis – an Jakobiner-Mützen erinnert die Serie der bis zu zweieinhalb Meter großen „Hüte“.

Vom malerischen Reiz der Glasuren

In den neuesten Keramiken hat Gereon Krebber den malerischen Reiz der Glasuren ausgekostet. Mit einem Prozent Eisenoxid entstehen zwischen Grau und Türkis changierende Tönungen. Mit zehn Prozent ergibt sich eine silbrig vibrierende braune Glasur. Wie der englische Bildhauer Tony Cragg, bei dem er an der Kunstakademie Düsseldorf studiert hat, findet Gereon Krebber zu eigenwilligen Formsetzungen, die ihr Vorbild nicht aus der Vielfalt der Natur beziehen, sondern etwas Eigenes bilden. Der Glaskasten spielt mit dieser Ausstellung aus, was er mit dem Wechsel in ein ehemaliges Schulgebäude einbüßt: die wunderbare Transparenz, die auch vorbei flanierenden Passanten spannende Einblicke erlaubt.

Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 24. Oktober dienstags bis freitags 14-17 Uhr, an Wochenenden 11-18 Uhr.

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