Freie Musiklehrer in Marl erhalten Tarifverträge „Komplette Ausbeutung bald vorbei“

Musiklehrerin Jana Emmrich am Klavier
Jana Emmrich, Musiklehrerin am Gymnasium im Loekamp und Leiterin des Kinderchors der Musikschule, kritisierte die Honorarverträge für freie Musiklehrer. © Ralf Deinl
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Die Stadt Marl wird ihren frei angestellten Honorarkräften der Musikschule ab dem neuen Jahr Tarifanträge anbieten. Damit setzt sie ein Urteil des Bundessozialgerichts vom Juni 2022 um. Honorarverträge freier Musiklehrer in vielen Städten waren danach rechtswidrig: Die Kommunen zahlten keine Sozialversicherungsbeiträge, so gab es keinen Schutz vor Altersarmut.

Der Druck auf die Städte stieg – auch in Marl. Im Kulturausschuss machte Marls Ehrenbürgerin und Kulturförderin Brigitte Kluth die Verträge zum Thema. Sie drängte auf eine Lösung, damit kein Musikunterricht ausfällt, kein Kultur-Kahlschlag droht.

Eine Musiklehrerin korrigiert die Hand einer Schülerin beim Geigenspiel. Musikunterricht ist für die Persönlichkeitsbildung von Kindern zentral, trotzdem erhalten viele Pädagoginnen und Pädagogen nur Honorare.
Eine Musiklehrerin korrigiert die Hand einer Schülerin beim Geigenspiel. Musikunterricht ist für die Persönlichkeitsbildung von Kindern zentral, trotzdem erhalten viele Pädagoginnen und Pädagogen nur Honorare.© Jens Büttner/dpa

Geltendes Recht zwingt die Stadt also dazu, neue Verträge anzubieten. Bürgermeister Werner Arndt spricht von „grundlegenden Verbesserungen“: „Wir haben die Sorgen zur Beschäftigungssituation der Lehrkräfte immer sehr ernst genommen“, sagt er in einer städtischen Pressemitteilung.

Mit diesem Satz zog er sich Kritik zu. „Das war längst überfällig“, reagiert ein Musiklehrer auf Facebook. Die Situation sei für die Kollegen „unerträglich und extrem belastend“ gewesen: „Dass so etwas überhaupt erst juristisch erkämpft werden musste, ist ein Unding! Keine Verwaltungskraft, kein Handwerker, keine Lehrkräfte an Schulen“ würde Honorarverträge akzeptieren: „Und kein Arbeitgeber würde sich trauen, das anzubieten.“

Auf Druck reagiert

Auch Musiklehrerin Jana Emmrich betont, dass die Stadt nur auf öffentlichen Druck reagiert habe. Das Urteil des Bundessozialgerichts habe Verwaltung und Bürgermeister zwei Jahre „herzlich wenig gekümmert“. Nun habe die Stadt „nur das Nötigste getan“, um rechtlichen Problemen und Bußgeldern zu entgehen, kommentiert Jana Emmrich auf Facebook. Sie hofft, „dass die Zeiten der kompletten Ausbeutung der Musikschullehrkräfte bald vorbei sind.“

18 von 39 freien Lehrkräften der Musikschule bietet die Stadt jetzt einen Tarifvertrag an, teilt ihre Pressestelle auf Nachfrage mit. Das entspreche zehn Stellen – die Mehrkosten wurden bereits im Haushalt berücksichtigt.

Kein Ausfallhonorar

Vor allem Kräfte, die nahezu eine volle Stelle haben, bekommen feste Verträge. Sonst gibt es individuelle Regelungen. „Einige wenige Lehrkräfte“ hätten das Angebot der Stadt abgelehnt, teilt die Pressestelle mit.

Die Honorarkräfte müssen sich weiter selbst versichern und ihre Stundensätze versteuern. Nach unseren Informationen erhalten sie je nach Ausbildung einen Stundenlohn von 36 bis 40 Euro. Melden Schüler sich krank, wird ihnen kein Ausfallhonorar gezahlt.

Jana Emmrich freut sich, dass nun zumindest 18 hochqualifizierte Kolleginnen und Kollegen von der Renten- und Krankenversicherung profitieren: „Wie sie jetzt noch bezahlt werden, ist unwürdig.“

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