
Marlies Gabriel (70) hat noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Weder während ihrer Zeit als Kauffrau in ihrer Buchhandlung an der Stimbergstraße, auch nicht als Vorstandsmitglied beider „Ausgaben“ der nicht mehr existierenden Werbegemeinschaften und auch nicht als Vertreterin des Kulturkreises. Deshalb verwundert es nicht, dass sich daran bis heute nichts geändert hat. Und so antwortet Marlies Gabriel sehr direkt auf die Frage, wie es ihr denn heute in der City in Oer-Erkenschwick gefällt: „Gar nicht. Ich kann den Schmutz und die vielen Leerstände dort nicht mehr sehen.“
City von Oer-Erkenschwick ist nur schwer zu verbessern
Und Marlies Gabriel zieht daraus sogar „Wege-Konsequenzen“. Denn, wenn sie mit Ehemann Bernhard von der Longbentonstraße zur Kleingartenanlage an der Ahsener Straße läuft, dann nutzt sie die Straße „An der Aue“. „So muss ich mir den Zustand auf der unteren Stimbergstraße nicht anschauen.“ Dabei will Marlies Gabriel niemandem direkt die Schuld für den „Niedergang“ des genannten Straßenstücks geben. „Aber ich habe schon in den 90er-Jahren gesagt, nachdem Kaufmann Otto Klemm sein Kaufhaus am ‚roten Platz‘ geschlossen hat, dass man die Situation an der Stimbergstraße mittelfristig nur sehr schwer nachhaltig verbessern kann.“
Kaufhaus-Ruine ist eine Katastrophe für Oer-Erkenschwick
Die jetzige Kaufhaus-Ruine ist aus ihrer Sicht eine Katastrophe. „Denn das Grundstück ist eigentlich der Ankerpunkt für die weitere Entwicklung auf der Stimberg- und der Marktstraße. Aber der Stadt sind da ja leider die Hände gebunden, weil sich das Areal in Privatbesitz befindet“, sagt Marlies Gabriel, die sich noch gut an bessere Zeiten erinnern kann.
Weihnachtsverlosungen und Cityfeste in Oer-Erkenschwick
Damals gab es viel mehr inhabergeführte Fachgeschäfte in der Stadt. „Und diese Kaufleute wollten etwas bewegen. Für die Stadt, aber natürlich auch für sich selbst“, erzählt Marlies Gabriel bei einem Ortstermin in der City. Damals gab es groß angelegte Weihnachtsaktionen der Kaufmannschaft mit einer zentralen Verlosungsveranstaltung kurz vor den Festtagen, zu der jeweils mehrere Hundert Bürger auf den Berliner Platz strömten. Damals wurden Cityfeste unter der Regie verschiedener Organisatoren gefeiert. Damals halt…
Gute Erinnerungen an den Haardjazz in Oer-Erkenschwick
Dass Bürger auch im kulturellen Bereich selbst etwas auf die Beine stellen konnten, bewies sich mit dem Kulturkreis, der 1998 gegründet wurde und der heute von Erika Mentel geleitet wird. Auch den Kulturkreis hatte Marlies Gabriel als Nachfolgerin von Brita Nobbe, die auf dem Hof der Realschule das „Café Kleinkunst“ leitete, geführt. „Neben Brita Nobbe waren damals auch Hans-Joachim Lehmen und der viel zu früh verstorbene Horst Wesoty aktiv“, erinnert sich Marlies Gabriel. Bis heute unvergessen sind die Haardjazz-Veranstaltungen unter anderem bei „Mutter Wehner“ mit Szene-Größen wie Frank Roberscheuten. „Das war damals eine wirklich schöne Zeit“, sagt die 70-Jährige aus Oer-Erkenschwick.
Leiterin der Kleingärtner-Frauengruppe in Oer-Erkenschwick
Heute genießt Marlies Gabriel zusammen mit ihrem Ehemann Bernhard die freie Zeit auf ihrer Scholle im Kleingärtnerverein „Arbeit und Freude“, der an der Ahsener Straße seine mehrfach preisgekrönte Kleingartenanlage unterhält. Aber einfach nur die Hände in den Schoß zu legen und den Nutzpflanzen beim Wachsen zuzuschauen, das ist nicht Marlies Gabriels Sache. Sie ist nun Leiterin der Frauengruppe und ist damit im Vorstand des Vereins, der seit 2020 von ihrem Ehemann Bernhard geleitet wird.

Zeiten haben sich – auch in Oer-Erkenschwick – geändert
Aber die Zeit haben sich im Vergleich zu früher verändert. „Es sind heute kaum noch Freiwillige für ehrenamtliche Arbeit zu begeistern. Nehmen wir als Beispiel die Frauengruppe des Kleingartenvereins. Heutzutage gehen fast alle Frauen arbeiten. Da bleibt dann schlichtweg deutlich weniger Zeit, sich beispielsweise in der Frauengruppe bei den Kleingärtnern zu engagieren, als das früher der Fall war. Unter dem Problem leiden wohl viele Vereine“, stellt Marlies Gabriel fest.
Lust aufs Reisen ist ungebrochen
Was wünscht sich die Frau, die auch zehn Jahre im Prüfungsausschuss der Industrie- und Handelskammer für den Bereich Buchhandel wirkte, für ihre ganz persönliche Zukunft? „Etwas mehr Ruhe und natürlich Gesundheit. Dann darf gerne alles bleiben, wie es ist“, sagt Marlies Gabriel. Und die Corona-Pandemie soll möglich schnell enden, damit man wieder unbeschwert reisen kann. Aber das ist wiederum ein ganz eigenes Kapitel im Leben der Buchhändlerin im (Un-)Ruhestand…
Vielfach engagiert
- Marlies Gabriel ist 70 Jahre alt und wuchs in Dortmund auf. Nach der Schule absolvierte sie erfolgreich eine Ausbildung zur Buchhändlerin. Im Anschluss wechselte sie als Angestellte zur Paulusbuchhandlung nach Recklinghausen, wo sie wenig später ihren heutigen Ehemann Bernhard kennenlernte. 1972 heirateten sie, haben zwei Töchter und sind dreifache Großeltern.
- 1980, fast auf den Tag genau vor 40 Jahren, verlegten die Gabriels ihren Lebensmittelpunkt nach Oer-Erkenschwick. Marlies Gabriel übernahm die Leitung der Buchhandlung Edling an der Marktstraße, zog vier Jahre später mit dem Geschäft zur Stimbergstraße 100 in das ehemalige „Spiekermann“-Ladenlokal um und wurde 1986 Eigentümerin der Buchhandlung. 2004 schloss sie das Geschäft, arbeitete anschließend noch einige Jahre bei einer Berufskollegin in Marl, in der Nachhilfeschule ihrer Tochter und der Schülerhilfe in Datteln, bevor sie 2016 ihren (Un-)Ruhestand antrat.
- 1982 gehörte Marlies Gabriel zu den Gründungsmitgliedern der damaligen Werbegemeinschaft um den mittlerweile verstorbenen Geschäftsmann Klaus Kähning. Von 1987 bis 1993 war sie 1. Vorsitzende. In dieser Zeit schaffte die Werbegemeinschaft, finanziert von den Kaufleuten, die Weihnachtsbeleuchtung für die City an. Nach Auflösung der Werbegemeinschaft 1993 schenkten die Kaufleute die Leuchtkörper der Stadt. Der Sterne leuchten noch heute jedes Jahr zur Weihnachtszeit.
- 1999 mischte Buchhändlerin Marlies Gabriel auch bei der Arbeitskreis City mit, aus dem später die zweite Auflage der Werbegemeinschaft hervorging. Aber auch dieser Verein löste sich im Herbst 2006 auf.
- Seit 1991 gehört Marlies Gabriel zusammen mit ihrem Ehemann, dem heutigen Vereinsvorsitzenden, die Kleingärtnerverein „Arbeit und Freude“ an und leitet dort die Frauengruppe.