
Fußballfans sind oft ein Völkchen für sich. Auch in Oer-Erkenschwick. Da gibt es Gruppen, die dem FC Schalke 04 die Daumen halten, oder Borussia Dortmund oder dem VfL Bochum. Mancher fiebert gar mit Vereinen südlich des „Weißwurst-Äquators“. Und dann gibt es ein ganz kleines, verschworenes Grüppchen, das im fernen Oer-Erkenschwick die Farben des ostdeutschen Regionalligisten FC Energie Cottbus hochhält. „Tief im Westen“, lautet der sprichwörtliche Name des offiziell registrierten Fanclubs. Und der feiert nun sein 20-jähriges Bestehen.
Aus einer fixen Idee wird in Oer-Erkenschwick eine Fußball-Liebe
„Eigentlich war alles eine fixe Idee aus einer Bierlaune heraus“, erinnert sich Fanclub-Vorsitzender Detlef Lakomy (71). „In Oer-Erkenschwick befindet man sich schließlich im fußballerischen Spannungsfeld zwischen Gelsenkirchen, Dortmund und Bochum. Wir wollten uns einem anderen Verein zugehörig fühlen und dabei etwas Besonderes sein“, erzählt Lakomy. Und das ist ihnen gelungen. Denn, wenn die heute 15 Mitglieder von ihrem Fanclub „Tief im Westen“ erzählen, dann ernten sie vor allem eins – Kopfschütteln.
Auch Hansa Rostock war in Oer-Erkenschwick ein Thema
Dabei sollte es zunächst gar nicht der FC Energie Cottbus sein, dem die Oer-Erkenschwicker die Daumen drücken wollten. „Ich persönlich habe damals Hansa Rostock vorgeschlagen, wurde aber überstimmt“, erinnert sich Detlef Lakomy. Maßgeblich dazu beigetragen haben die beiden mittlerweile verstorbenen Gründungsmitglieder Rudi Schmülling und Eberhard Scholz, die als Ostalgiker Wert darauf legten, dass der auszuwählende Verein möglichst in der Nähe der brandenburgischen Partnerstadt Lübbenau im Spreewald liegt. So kam es dann auch. „Und ich muss eingestehen, dass wir alle recht schnell vom Cottbus-Virus infiziert waren“, sagt Lakomy.
Zeitweise der westlichste Cottbus-Fanclub
Und plötzlich waren die Oer-Erkenschwicker, die in ihrer Heimat wegen ihrer wachsenden Leidenschaft für den 1966 gegründeten heutigen Regionalligisten FC Energie belächelt wurden, in Cottbus selbst auch etwas Besonderes. „Denn wir sind offiziell im Fanclub-Register des Vereins registriert. Und für einige Jahre waren wir der westlichste Cottbus-Fanclub und wurden als solcher bei den Heimspielen, die wir besucht haben, auch stets begrüßt“, berichtet Detlef Lakomy.
Fans aus Oer-Erkenschwick bejubeln die Aufstiege des Vereins
Wobei wir schon beim eigentlichen Sinn des Fußball-Fanclubs „Tief im Westen“ aus Oer-Erkenschwick sind. Ja, in der Vereinskneipe „Rott“ wurden viele Cottbus-Spiele am Fernseher verfolgt. Und dort wurden auch viele Sommerfeste ausgelassen gefeiert, aber der Höhepunkt im Vereinsleben der Cottbus-Fans war die jährliche Fahrt in die Lausitz. Zwei Jahre nach der Gründung sind die Cottbus-Fans zum ersten Mal zum letzten Saison-Heimspiel nach Brandenburg ins Stadion der Freundschaft gefahren. In den Folgejahren haben sie dort Siege und Niederlagen miterlebt, Aufstiege bejubelt und Abstiege betrauert. Corona machte den Cottbus-Freunden schließlich einen Strich durch die Ausflugsrechnung. Ob und wann es nun die nächste Tour zum FC Energie geben wird, das soll während der nächsten Jahreshauptversammlung besprochen werden. Wenn sich die Mitglieder für eine erneute Tour nach Cottbus entscheiden, dann steht höchstwahrscheinlich auch wieder ein Abstecher nach Lübbenau auf dem Programm. Die Gemeinde im wunderschönen Spreewald ist seit 1990 Partnerstadt von Oer-Erkenschwick und auch den Fußballfans vom Stimberg stets einen Besuch wert. Meist steht dann eine Kahnfahrt durch den Spreewald auf dem Programm.

Oer-Erkenschwicker übernachten gerne im „Postkutscher“
„Die Fahrten waren stets ein tolles Erlebnis“, erinnert sich Detlef Lakomy. „Und wenn Lachen das Leben verlängert“, dann haben wir bei diesen Ausflügen stets ein paar Monate gutgemacht,“ meint der 71-Jährige. Bis auf die ersten beiden Male haben die Fußballfans aus Oer-Erkenschwick dabei stets im Hotel „Zum Postkutscher“ übernachten und auch gefeiert. „Dort hat mittlerweile die Tochter des Hotelgründers das Zepter übernommen. Mit der habe ich telefoniert und man freut sich bereits auf unseren nächsten Aufenthalt“, berichtet Detlef Lakomy. Und das ist aus seiner Sicht ein Beweis für das Besondere des Fanclubs „Tief im Westen“. „Während mancher Fußball-Fanclub kritisch gesehen wird, ist das bei uns überhaupt nicht so. Wir sind vielleicht auch wegen unseres Alters etwas besonnener“, meint Lakomy.
Acht der 15 Mitglieder sind Frauen aus Oer-Erkenschwick
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass acht der 15 Mitglieder von „Tief im Westen“ aus Oer-Erkenschwick Frauen sind. „Wir sind halt eine gesellige Runde mit einer guten Mischung“, sagt Detlef Lakomy. Der Verein lebt nach dem unausgesprochenen Motto: Wer pöbelt, fliegt raus! Jedes Mitglied ist handverlesen, die gesamte Truppe muss einer Aufnahme zustimmen. „Schließlich kennen wir uns schon seit Jahrzehnten und feiern auch schon so lange zusammen. Und das soll so bleiben.“
Detlef Lakomy ist Vorsitzender
- Der Fußballfanclub „Tief im Westen“ hat sich am 16. Juli 2001 in der nicht mehr existierenden Gaststätte „Zum Stimberg“ an der Groß-Erkenschwicker-Straße gegenüber „Grabmale Vogt“ gegründet. Vereinslokal war in den Folgejahren bis zur Schließung in 2018 die Gaststätte Rott an der Schillerstraße. Heute treffen sich die Cottbus-Fans regelmäßig in den Privaträumen von Günter und Doris Klinkowski sowie von Helmut Alexanders und Marlies Hutwelker.
- Gründungsmitglieder waren die beiden verstorbenen Eberhard Scholz und Rudi Schmülling sowie Walter Willmann, Detlef Lakomy, Thomas John und Willi Tenberg.
- Gründungsvorsitzender war Walter Willmann, der das Amt 2016 an Detlef Lakomy abgab. Lakomy bewirbt sich bei der Jahreshauptversammlung am Freitag, 16. Juli, um ein weiteres Amtsjahr.
- Im 20. Jahr seines Bestehens hat der Fußballfanclub „Tief im Westen“ 15 Mitglieder mit einem Durchschnittsalter von 68 Jahren. Das sind: Helmut Alexander, Heike Bitter, Marieta Gotzlik, Marlis Hutwelker, Thomas John, Doris und Günter Klinkowski, Brigitte Kott, Vera und Detlef Lakomy, Günter Lissek, Gerda Ludwig, Willi Tenberg, Dagmar Waaga und Walter Willmann.