Jüdische Zeitzeugin erhebt ihre Stimme

Mit Verleger Lutz Kliche an ihrer Seite lässt Ruth Weiss ihr Leben Revue passieren. © Ulrich Nickel
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Mit ruhiger, klarer Stimme erzählte Ruth Weiss bei einer Veranstaltung in der Antoniuskirche von ihrem ereignisreichen Leben und den Höhen und Tiefen, die sie begleitet haben. Die jüdische Schriftstellerin, die 1924 als Ruth Loewenthal in Fürth geboren wurde, hat sowohl in ihren Romanen als auch in ihrem journalistischen Wirken die Stimme gegen Unterdrückung, Rassismus und Ungerechtigkeit erhoben.

Im Gespräch mit dem Verleger und Freund Lutz Kliche schaffte sie es, ihre Erlebnisse in Nazi-Deutschland und dem von der Apartheid gekennzeichneten Südafrika, die von düsteren Bildern begleitet wurden, zu skizzieren und eindrucksvoll darzustellen, wie sie diese Widrigkeiten meistern konnte. Sie trug Textpassagen ihrer Romane vor, in denen sie von Menschen erzählt, die dem eigenen Unrecht etwas Wichtiges entgegenzusetzen hatten: Liebe, Stolz und Mitgefühl. Ihr Buch „Meine Schwester Sara“ war in einigen Schuljahren sogar Prüfungslektüre.

„1933 änderte sich das Bild schlagartig“

„Ich hatte in einem Dorf nahe Nürnberg eine schöne Kindheit verbracht“, so Ruth Weiss. Fürth wurde damals als fränkisches Jerusalem bezeichnet, weil die Stadt einen Sonderstatus erhielt. Das erste Waisenhaus in Deutschland wurde hier eröffnet. Jeder fünfte Einwohner war jüdischen Glaubens. „Man fühlte sich als Jude gleichberechtigt. 1933, als die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht übernahmen, änderte sich das Bild schlagartig“, erinnert sich die heute 96-Jährige.

Ihr Vater sei nach Südafrika ausgewandert. „Meine Mutter, meine Schwester und ich folgten drei Jahre später. Fassungslos war ich, als Kinder das Lied ‚Und wenn’s Judenblut vom Messer spritzt´ sangen. Mir war damals schon bewusst, was der Inhalt bedeutete.“

Ruth Weiss nimmt sich in der Pause Zeit, um Autogramme zu schreiben. © Ulrich Nickel © Ulrich Nickel

Für Ruth Weiss war später klar, dass sie durch die Umsiedlung nach Südafrika fast vom Regen in die Traufe gekommen war. In Südafrika wurde 1936 ein Gesetz verabschiedet, das die Einreise von Juden verbot. Die Buren (Südafrikas Einwohner mit europäischen Wurzeln) waren calvinistischen Glaubens und in ihrer Gesinnung nicht judenfreundlich eingestellt. „Wir hatten die richtige Hautfarbe, aber die falsche Religion“, so Weiss weiter. Schwarze Menschen wurden in Ketten gelegt und ausgegrenzt. Sie durften nicht aus den gleichen Gläsern wie Menschen mit weißer Hautfarbe trinken. Der Zugang zu ihren eigenen Kindern wurde ihnen verwehrt. Diese Ungerechtigkeit habe sie als Kind sofort begriffen.

Nelson Mandelas Herz für Kinder

„Mut machte mir, als ich Nelson Mandela traf. In einem Interview war er oft abgelenkt und blickte aus dem Fenster. Als ich in die gleiche Richtung schaute, war mir klar, warum: Er beobachtete Kinder und besaß ein großes Herz. Seine Freundlichkeit war unbeschreiblich“, erinnert sich Weiss.

In Südafrika sei sie nicht ganz glücklich gewesen. Sorge bereitete ihr der erstarkte Nationalismus nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. „Das ist das Resultat des Schweigens, wenn alles unter den Teppich gekehrt wird.“ Als sich Süd-Rhodesien im südlichen Afrika für unabhängig erklärte und internationale Sanktionen verhängt wurden, deckte sie als investigative Journalistin auf, dass die Sanktionen gezielt umgangen worden waren. Als Journalistin habe sie Zugang zu Quellen erschließen können, die anderen verwehrt blieben.

Auf die schwarze Liste gesetzt

„Ich musste Rhodesien verlassen und wurde in den 60er-Jahren in Südafrika auf eine schwarze Liste gesetzt, sodass ich eine direkte persönliche Verfolgung zu befürchten hatte.“ Erst 1991 wurde sie von dieser Liste gestrichen.

Heute lebt Ruth Weiss, eine Kämpferin für Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Freiheit, im Norden von Jütland in Dänemark und erzählt in vielfachen Besuchen in Schulen von ihren Erfahrungen und Erlebnissen, um einen Bewusstseinswandel einzuleiten und die Menschen zu motivieren, fehlgeleitete Ansichten zu reflektieren.