Mario Di Piazza hat den „Kitt für Europa“ gefunden

Mario Di Piazza ist der Vorsitzende des Vereins Erasmus-Institut für Interlingua. Die Plansprache Interlingua hält er ihrem „Konkurrenten“ Esperanto für überlegen. © SYSTEM
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„Nach meinem Dafürhalten kann Interlingua der Kitt für Europa werden“, sagt Mario Di Piazza, der die deutsche und italienische Staatsangehörigkeit besitzt. Er ist der Vorsitzende des Erasmus-Instituts für Interlingua. Den Verein hat er 2017 mit sieben anderen Mitgliedern gegründet. Als der Recklinghäuser vor zehn Jahren im Internet zum ersten Mal einen in dieser Plansprache verfassten Text las, habe er überrascht festgestellt: „Ich spreche ja eine zusätzliche Fremdsprache!“

Plansprachen sind geplante, konstruierte oder künstliche Sprachen – im Gegensatz zu den natürlichen Sprachen. Der Entwurf einer solchen ist meist auf die Erleichterung der internationalen Kommunikation ausgerichtet. Die wohl bekannteste Plansprache ist Esperanto. Die sei jedoch zweimal bei entsprechenden Komitees durchgefallen, sagt Di Piazza. Zudem habe Esperanto ein willkürliches Vokabular. „Das hat mich linguistisch nicht überzeugt. Es hat eine schematische Grammatik. Jedes Substantiv bekommt ein ,O‘ angehängt, dadurch verliert es den Wiedererkennungswert.“

„Das ist das neue Latein“

Interlingua ist zukunftsfähig, ist Di Piazza sicher. „Das ist das neue Latein.“ Mit Latein verbinden wohl nicht wenige stundenlanges Büffeln für eine tote Sprache. „Wir dürfen aber nicht vergessen, welche Bedeutung Latein für die europäische Zivilisationsgeschichte hatte. Da ist ein Vakuum entstanden. Und das kann meiner Meinung nach nicht von Englisch oder einer anderen Weltsprache aufgefüllt werden.“ Interlingua gehe „in Richtung Englisch und Italienisch, vor allem was die Grammatik betrifft“.

Ein großer Vorteil des „neuen Latein“ sei, dass wie im Englischen bei bestimmten Artikeln auf das Geschlecht verzichtet wird. An Stelle des „the“ im Englischen trete das „le“. Di Piazza: „Das Geschlecht ist für den Informationsfluss unerheblich. Keep it simple, aber genial!“ Er selbst sei in der Lage, spanische oder portugiesische Texte zu verstehen und führt das auf Interlingua zurück.

Zur Person

Mario Di Piazza

Im „echten Leben“ ist Mario Di Piazza beim Kreis Recklinghausen angestellt. Im Jobcenter Marl ist er als Fallmanager für Menschen unter 25 zuständig.

In seiner Diplomarbeit im Fach Politikwissenschaften hat er sich „über das Lateinische ausgelassen“.

„Cavallo“ ist das Pferd

Di Piazza nennt einige Beispiele: So heiße Pferd auf Interlingua etwa „cavallo“. „Denken Sie an Kavallerie.“ „Flor“ heißt Blume. „Wir kennen das Wort Floristik.“ Der Satz „Interlingua ist ein perfektes Werkzeug für die Kommunikation“ heißt „Interlingua es un instrumento perfecte pro le communication“. Das Erasmus-Institut für Interlingua sei aus der Idee heraus entstanden, die Plansprache mit dem Leitbild Europas zu verknüpfen, so Di Piazza. „Wer etwas über Interlingua lernt, soll auch etwas über Europa lernen.“

1955 sei der Weltverband Interlingua gegründet worden. Bereits vier Jahre zuvor waren ein Grammatikband und eine Wörterbuch entstanden, das statt der zuvor geschätzten 10.000 Wörter sogar 27.000 Wörter enthielt. Der Interlingua-Grundschatz umfasse etwa 3000 Wörter. Ein Grund, weshalb Interlingua sich bis heute nicht durchgesetzt hat, erklärt Di Piazza, sei die Tatsache, dass es nach dem Tod des deutsch-amerikanischen Linguisten und Übersetzers Alexander Gode, der 15 Jahre lang Präsident des 1955 gegründeten Verbandes gewesen sei, keinen Nachfolger gegeben habe. Auch die spätere Erfindung des Internets sei nicht genutzt worden, um die Plansprache bekannter zu machen.

Auf der Suche nach Gleichgesinnten

„Es ist schwierig, Gleichgesinnte zu finden“, sagt Di Piazza. In der Hauptsache würden sich Rentner an ihn wenden, die auf ihre alten Tage noch eine Fremdsprache lernen wollen. Die Resonanz auf einen einst an der Volkshochschule in Recklinghausen angebotenen Kurs sei mit gerade mal zehn Teilnehmern ernüchternd gewesen. Seine Idee sei nun, im deutschsprachigen Raum etwas in Gang zu bringen: „Bis ich 75 bin, möchte ich etwa 20 Leute finden, die das gemeinsam mit mir vorantreiben. Ich weiß nicht, ob es funktioniert. Aber Interlingua sollte nicht verloren gehen.“