
Und alle, die sich intensiv um die Zukunft der Allee sorgten, die an der Ecke Sachsenstraße und Friesenstraße einem neuen Netto-Markt zum Opfer fallen sollte, mussten feststellen, dass einen die Realität manchmal in rasanter Weise überholt.
Noch am Dienstag hatten sich Vertreter hiesiger Baumschutzgruppen und der Lokalen Agenda vor Ort mit Anwohnern getroffen. Dabei wurden Unterschriften gegen die anstehenden Baumfällungen gesammelt, die am Freitag (13. August) der Stadtspitze übergeben wurden.

Als eigentlichen Adressaten hatten die Beteiligten sich Bürgermeister Christoph Tesche erhofft, doch der weilte zu diesem Zeitpunkt noch in Potsdam und hatte sich bereits während der Woche als oberster Baumschützer entpuppt. Er erhob die ganze Angelegenheit zur Chefsache, weil er den Eingriff in die Natur dann doch für sehr groß hielt, und damit traf er dann auch den Nerv der Naturschützer. „Es kommt ja wohl Bewegung in die Geschichte“, freute sich Bettina Hahn von der Baumschutzgruppe RE/Vest.
Grüne und CDU haben sich „nachinformiert“
Aber hinter den Kulissen geriet auch die Politik in Schwingung: Auf Drängen der Grünen hatte man sich in der Koalition (aus CDU und Grünen) Gedanken darüber gemacht, ob man die entsprechende Ratsvorlage zum Thema nicht ein wenig zu leichtfertig durchgewunken habe. „Die Bäume sind schon sehr groß. Deswegen haben wir uns die ganze Angelegenheit vom Technischen Beigeordneten Norbert Höving noch einmal ausführlich erklären lassen“, erklärt der CDU-Fraktionsvorsitzende Benno Portmann. Und zwar schon am Ende der vergangenen Woche.
„Auch für uns sind die Bäume wichtig, aber für die Grünen war es natürlich eine echte Herzensangelegenheit“, so Portmann weiter. Was wohl heißen soll: Beide Parteien hatten bei der Sache Bauchschmerzen, wenn auch möglicherweise in unterschiedlicher Ausprägung. Holger Freitag bestätigt als Fraktionsvorsitzender der Grünen, dass man es als Pflichtaufgabe betrachtet hätte, die Umstände noch einmal näher zu beleuchten. Sowohl von Portmann als auch von Freitag wurde begrüßt, dass sich der Bürgermeister der Sache annimmt.
Endgültige Rettung der Bäume ist noch entfernt
Sicher ist: Von einer endgültigen Rettung sind die Linden an der Allee zum ehemaligen Bahnhof noch ein gutes Stück entfernt, aber es gibt einen Plan, der im Idealfall alle zufriedenstellen könnte. Auch die, die die Nahversorgung an diesem Standort dann eben doch für wichtig halten. So wie die Suderwicher SPD-Chefin Elke Kant, die einmal mehr betonte, dass „wir es gerade den älteren Mitbürgern auf der Suderwicher Heide schuldig sind, ihnen eine Möglichkeit zur Erledigung der alltäglichen Einkäufe zu schaffen“.
Die SPD-Frau war es aber auch, die nach eigenen Angaben aus der Verwaltung gehört hatte, dass die städtische Wohnungsgesellschaft ihre Baupläne am Becklemer Weg wegen zu hoher Kosten begraben hatte. Das erfreut nicht nur die die, die dort wegen der vermeintlichen Bodenbelastung die Wohnbebauung verhindern wollten, es bietet auch neue Chancen. Zum Beispiel die, den neuen Netto-Markt an der Stelle des alten zu errichten.
Allerdings wird der Projektentwickler, der die ganze Sache im Auftrag von Netto ins Rollen gebracht hat, von der neuen Sachlage möglicherweise nicht begeistert sei. Es handelt sich dabei um die in dieser Hinsicht sehr erfahrene Schoofs-Gruppe, die bislang nicht nur viel Mühe, sondern auch Geld für diverse Gutachten und Ähnliches investiert hat. Außerdem ist entscheidend, ob die Schoofs-Gruppe noch vom Kaufvertrag mit dem Bundeseisenbahnvermögen, der das Grundstück am einstigen Suderwicher Bahnhof bislang gehörte, zurücktreten kann.
Benno Portmann geht davon aus, dass das möglich ist, „denn auch die Leute bei der Schoofs-Gruppe sind erfahren genug, um zu wissen, dass ein Bebauungsplan dann gültig ist, wenn er beschlossen wurde.“ Man sei zwar recht weit im Verfahren, aber eben noch nicht am Ziel.
Schoofs-Gruppe hat sich noch nicht geäußert
Die Stadt hat bereits Kontakt mit der Schoofs-Gruppe aufgenommen, allerdings bislang ohne Erfolg. Das deckt sich mit unseren Erfahrungen: Alle mit dem Verfahren vertrauten Verantwortlichen seien aktuell im Urlaub, sagte man uns in der Zentrale in Kevelaer.
Dann muss auch noch Stefan Benner, dem das Grundstück gehört, auf dem aktuell der alte Netto-Markt steht, mitspielen wollen. Zu diesem hat Bürgermeister Christoph Tesche allerdings schon Kontakt aufgenommen, und dem Vernehmen nach ist er dort auf offene Ohren getroffen. Auf jeden Fall werde man zeitnah ins Gespräch kommen, heißt es. Vielleicht kann man sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – und Nahversorgung und Wohnen zusammen realisieren, meint der Bürgermeister, dem in letzter Zeit die Sorgen etlicher älterer Suderwicher zu Ohren gekommen seien, die keine neue Wohnung finden würden.
Für Holger Freitag ist es ohnehin ein Muss, die gesamte Ecke zwischen Becklemer Weg und Sachsenstraße zu überplanen: „Vielleicht kann man am Standort des einstigen Bahnhofs auch Kleingewerbe ansiedeln.“ Dann hätte die zu erhaltende Allee als Zufahrt auch einen praktischen Nutzen.
Gleichwohl ist die ganze Angelegenheit derzeit noch eine Gleichung mit mindestens zwei Unbekannten. Und das bedeutet: Das Ende ist offen.