The Weeknd: Der neue König des Pop
Weiter nach oben kann es für ihn kaum noch gehen. The Weeknd, bürgerlicher Name Abel Tesfaye, hat sich im vergangenen Sommer eine neue Bleibe gegönnt. 70 Millionen Dollar hat er den Vorbesitzern für das weitläufige Anwesen überwiesen, dafür bekommt er auch so einiges: Innen- und Außenpool, Musikstudio, Gym, Privatkino, einen Wasserfall sowie die beeindruckendste Außentreppe seit „The Great Gatsby“. Sein altes Haus hat Abel derweil verkauft – und zwar an Madonna.
Sinnbildlicher als mit diesen beiden Immobiliengeschäften lässt sich die Wachablösung im Pop wohl kaum beschreiben. The Weeknd ist der globale Superstar der Zwanziger Jahre schlechthin, sein neues Album „Dawn FM“, das er am 7. Januar 2022 nur wenige Tage nach dessen Ankündigung veröffentlichte, dürfte die Charts und die Hitlisten der Streaming-Anbieter fürs erste dominieren.
The Weeknd löst einstige Popgrößen ab
Musikalisch macht er das aber auch brillant. Abel Tesfaye, als Sohn äthiopischer Einwandereltern im kanadischen Toronto geboren, hat ein sagenhaft feines Händchen für alle Aspekte, die einen Pop-Song zu etwas Außergewöhnlichem machen.
Seine Falsett-Stimme ist warm und unverkennbar, die zuckersüßen Melodien schmelzen im Ohr wie gute Schokolade im Mund, und wohl niemandem sonst gelingt zurzeit eine ähnlich stimmige Balance zwischen zeitgemäßem, fast futuristischem Electro-Pop-R&B und dem hemmungslosen Ausschlachten von Achtziger-Jahre-Einflüssen.
Hitverdächtige Tracks sammeln sich
Auf „Blinding Lights“, der gerade zum erfolgreichsten Song der US-Popgeschichte gekürten – und damit Chubby Checkers „The Twist“ abgelöst habenden – Übersingle, labte er sich generös an den Sounds von „Take On Me“ (a-ha, 1985). Und die neuen, wieder stark auf Synthesizer-Einsatz basierenden, Stücke wie „Don’t Break My Heart“ oder auch „Gasoline“ lassen erfahrene Pop-Freunden sofort an das frühe Werk von Depeche Mode denken.
Logisch, dass die Platte hitgespickt ist. „How Do I Make You Love Me“ ist unwiderstehlich eingängig, „Sacrifice“ nicht minder, und die Uptempo-Nummer „Take My Breath“ (inhaltlich geht es um eine nicht ungefährliche Sexualpraktik) war schon im Herbst ein Riesenerfolg.
Thematische Reise vom Dunkeln ins Licht
Dass The Weeknd sowohl auf die Produzententätigkeit von Max Martin (Britney Spears, Backstreet Boys) und der Swedish House Mafia als auch auf die Kunst des Indie-Electro-Fricklers Daniel Lopatin alias Oneohtrix Point Never setzt, reißt die Barrieren zwischen Avantgarde und maximalem Mainstream auf „Dawn FM“ zusätzlich nieder.
Zugleich ist das Album (mit weiteren Gästen wie Tyler, The Creator oder Bruce Johnston) merklich mehr als die reine Aneinanderreihung von 16 Pop-Songs. Die (lose) konzeptionelle Klammer ist eine Reise aus der – pandemiebedingten oder auch persönlichen – Dunkelheit ins Licht einer besseren, sei es diesseitigen oder jenseitigen, Welt.
Unverkennbare Bezüge zu Michael Jackson
Als sonorstimmigen Erzähler zwischen den Liedern gewann Abel seinen Freund, den kanadischen Schauspieler Jim Carrey, und auch Quincy Jones hat einen anderthalbminütigen Redebeitrag. In „A Tale Of Quincy“ erinnert sich der berühmte Produzent von Michael Jackson an seine weitgehend elternlose Kindheit und ihre gravierenden Folgen für sein weiteres Leben.
Ach, überhaupt Michael Jackson. Vielleicht mehr als allen anderen eifert The Weeknd dem einstigen King Of Pop nach. „Out Of Time“ könnte auch aus Jacksons „Off The Wall“-Album stammen, auch „Billie Jean“ schwingt immer wieder mal mit, und The Weeknds letztjähriger „Super Bowl“-Halbzeitauftritt im roten Anzug erinnerte sowieso von vorne bis hinten an sein gefallenes Idol.
Dunkle Vergangenheit eint die Pop-Größen
Was Jackson und Tesfaye außerdem eint, sind ihre (unterschiedlichen) Dämone. Abel, der seine ersten Alben mit Anfang 20 als gesichtsloser Underground-R&B-Sänger veröffentlichte, bevor er 2016 mit „Starboy“ (einer Kollaboration mit Daft Punk) zum Superstar wurde, brach die Schule ab, kam früh mit Drogen, aber auch mit Depressionen, vergifteten Beziehungen und einem gewissen Faible für extreme Erotik in Kontakt.
„There is so much drama in my life“, sagt er in „Out Of Time“, und auch wenn sich Dunkel seiner Sünden und Lebenserfahrungen langsam aufhellt, so ist er nach wie vor kein Sunny Boy, sondern ein widersprüchlicher, nicht unkomplizierter, Mensch.
Immerhin: Der auf dem „Dawn FM“ künstlich gealterte Abel Tesfaye sieht durchaus glücklich und zufrieden aus. Und was die Liebe angeht – selbst auf diesem Feld scheint es zu laufen. In „Here We Go…Again“ plaudert er über die Liaison mit einem Filmstar, und glaubt man den Gazetten, handelt es sich bei besagter Dame um Angelina Jolie. Weder Abel noch Angelina haben ihre Verpartnerung bislang bestätigt- sie aber auch nicht dementiert.