
Wer bin ich? Wo gehöre ich hin? Das sind Fragen, die man sich als „halbe Kartoffel“ in Deutschland, wie ich es bin, oft stellt. Meine Familie kam vor vielen Jahren aus China nach Deutschland. Ich bin hier geboren.
In meiner Kindheit habe ich meine kulturelle Herkunft mehr oder weniger verdrängt, habe mich unbewusst angepasst. Wenn meine Mutter mich auf chinesisch angesprochen hat, habe ich meist auf deutsch geantwortet. Das Einzige, was mich mit der Kultur verknüpfte, war das Essen.
Anders-Sein war mit einem Mal sehr deutlich
Ich wollte nur ein deutsches Mädchen sein, blonde Haare haben, wie alle anderen. Ich bin einer relativ weiß-deutschen Umgebung, in einem kleinen Dorf aufgewachsen. In der Grundschule war ich die einzige mit ostasiatischem Background. Ich war gut in der Schule, hatte viele Freunde und fühlte mich sehr wohl in der Klasse.

Trotzdem wurde mir klar, dass ich anders bin, als mich jemand „Schlitzauge“ genannt hat. Viele denken wahrscheinlich, dass ich übertreibe und man so etwas unbedeutendes sicher einfach in der Vergangenheit lassen kann. Das stimmt auch.
Rassistisches Erlebnis prägt bis heute
Ich weiß, dass andere sicher schlimmere Dinge erfahren haben, was Rassismus und Diskriminierung angeht, als ich, weil ostasiatische Menschen in Deutschland eher als die Vorzeigeminderheit gelten. Trotzdem hat es mich geprägt, weil mir klar wurde, dass meine „deutschen“ Freunde solche Kommentare nicht bekommen würden.
Dies ist meine Geschichte und die ist bei jeder Person mit anderen Wurzeln anders. Ich sehe mich als Deutsche. Andere würden sich eher als Angehörige des Heimatslandes ihrer Eltern zuordnen. Beides hat seine Berechtigung. Deswegen verstehe ich nicht, wie weiße Menschen einer Person zum Vorwurf machen, dass diese sich nicht als deutsch sieht, obwohl sie doch deutsch in der Schule spricht und immerhin hier geboren ist.
Spagat zwischen der deutschen und chinesischen Kultur
Die eigene Identität zu finden, ist schwer genug, genauso wie der Spagat zwischen den zwei Kulturen, die man in sich vereint. Man sieht sich immer zwischen den Stühlen, gehört nirgends richtig dazu, weil man in dem Land seiner Eltern als deutsch und hier als „Ausländer“ gesehen wird.

Unsere Eltern und Großeltern kamen meist hierhin ohne die Sprache zu können, sie arbeiteten hart, damit wir es eines Tages besser haben konnten. Dabei wollten sie ihre eigene Kultur und Sprache nicht verlieren, aber auch Teil der Gesellschaft sein.
Identität ist dynamisch, sie kann sich mit der Zeit verändern und sich entwickeln, weil wir uns als Menschen auch weiterentwickeln und wachsen. In den letzten Jahren habe ich mich viel mehr mit meiner Kultur beschäftigt und schätze sie mehr wert.
Ich versuche öfter die Sprache meiner Eltern zu sprechen und freue mich darauf, bald wieder in der Heimat meiner Eltern zu sein und den Rest meiner Familie zu sehen.