
Um ihre Talente zu entdecken, brauchen Jugendliche Gelegenheiten. Gelegenheiten, die vielleicht nicht im Mathebuch stecken. Und an der Gesamtschule zieht man bekanntlich alle Register, damit die Schülerinnen und Schüler erkennen, was ihr späterer Beruf sein könnte. Berufsfindungstage für die Siebtklässler sind ein Baustein. Dazu kamen jetzt sechs Teamer vom Talenthaus des Technikzentrums Minden-Lübbecke an die Waltroper Schule und schleusten die Siebtklässler durch einen besonderen Parcours.
Waltroper Schüler lernen Logistik ganz nebenbei
An einer Stelle ging es darum, Geschirrhandtücher in eine Plastikbox zu bekommen. Zehn Stück – und das, wo die Box bei vier Tüchern schon voll aussah. Josefine (14), Eileen (13) und Lykka (13) falteten, rollten und quetschen, und schließlich: „Wir haben‘s!“, melden sie strahlend an Talenthaus-Dozent Detlef Wydra. Der erklärt, was dahintersteckt: Logistik nämlich. Paletten oder andere Güter in einen Lkw zu packen – das ist im Kleinen das, was mit den Geschirrhandtüchern in der Plastikbox geschehen soll.
An einer anderen Station geht es darum, Lebensmittel in Gläsern zu erkennen. Kräuter, Gewürze, Mandelstifte, Haferflocken. Detlef Wydra und seine Kollegen stellen fest, dass Kinder mit Migrationshintergrund an dieser Station öfter glänzen als andere. „In den Familien mit Migrationshintergrund wird oft noch richtig gekocht“, sagt Wydra. Entsprechend würden die jungen Leute erkennen, was Pfeffer und was Thymian ist.

Einen Klassenraum weiter haben die Schüler hölzerne Eisstiele vor sich. Daraus sollen sie nach einer Vorlage einen Zaun zusammenstecken. Eigentlich aber geht es darum herauszufinden, wie es um das Frustrationspotenzial der Schüler bestellt ist. Es gebe Schüler, die schmissen nach drei Minuten alles hin, sagt Wydra. „Andere sind 20 Minuten konzentriert dabei und machen das gradlinig zu Ende“, beobachtet er. Genau darum geht‘s: Hält jemand durch, auch wenn’s knifflig wird? Das sind Fähigkeiten, die auch im Job wichtig sind.
Noch eine Station: Die Schüler sollen auf einem Stück Papier den Umriss eines Pferdes so oft wie möglich unterbringen. Gedachter Hintergrund: Das Papier ist ein Stück Leder, und eine Schuhfirma will daraus möglichst viele Anhänger schneiden. Ziel: Aus einem Minimum an Material das Maximum an Anhängern machen. Nicht einfach für die Schüler. Es fliegen sogar Dachpfannen: Freilich nur welche aus Plastik, und es geht auch nicht wirklich ums Dachdecken. Aber dafür umso mehr um die Erkenntnis, dass Teamwork wichtig ist.
Regeln werden nicht jeden Tag neu diskutiert
Jutta Juretko, Abteilungsleiterin an der Gesamtschule für die Jahrgänge 7 und 8, schaut zufrieden auf das ungewöhnliche Unterrichtsgeschehen: Mancher Schüler vergesse vor lauter Ehrgeiz sogar die Pause, sagt sie schmunzelnd. Und noch etwas sei wichtig: Dass so etwas wie „Es gibt Regeln, und die werden nicht jeden Tag neu diskutiert“ von jemandem anders als von den Lehrkräften der Schule komme.