Rolf (73) teilt Erinnerungen an die Castroper Kirmes „Kirmes gab es nur am Samstag – nach dem Badetag“

Rolf (heute 73) aus Castrop-Rauxel war damals mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Kirmes.
Rolf (heute 73) aus Castrop-Rauxel war damals mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Kirmes. © Privat
Lesezeit

„Junge auf der Castroper Kirmes mit Paradiesapfel“ lautet der Titel eines schwarz-weißen Fotos des stadtbekannten Fotografen Helmut Orwat, das im April 1972 entstand und einen Jungen zeigt, der konzentriert in einen mit süßem Zuckerguss verzierten Apfel beißt. Da die darauf abgebildete Person nach einem Aufruf des Stadtmarketings nicht ausfindig gemacht werden konnte, teilt ein anderer Castrop-Rauxeler in ähnlichem Alter seine ganz persönlichen Erlebnisse auf der Castroper Kirmes, einer Traditionsveranstaltung, die in diesem Frühjahr seit 540 Jahren durchgeführt wird.

Was sind Ihre ersten Erinnerungen an die Kirmes in Castrop in den 1950er/1960er Jahren?

Rolf (73): „Ich bin so mit fünf, sechs Jahren zum ersten Mal mit auf die große Kirmes gegangen. Unsere Familie und die Nachbarn sind zusammen in den Bus gestiegen und hingefahren – aber immer nur am Samstagabend. Meine Eltern hatten nur am Wochenende Zeit, und es war klar: Kirmes gab es nur am Samstag – nach dem Badetag. Alle arbeiteten bis mittags, dann wurde gebadet, man zog sich anders an als zu Hause, immer mit Hemd, und dann ging es los. Kirmes war das Größte! Schon Wochen vorher war es das Thema, und wir haben uns darauf gefreut.“

Gab es eine besondere Attraktion, auf die Sie sich gefreut haben?

„Als ich als Jugendlicher mit Freunden alleine mit dem Fahrrad zur Kirmes nach Henrichenburg gefahren bin, ging es vor allem um die Raupe, wo sie die aktuelle Musik gespielt und die jungen Leute sich getroffen haben. Da beäugten sich die Gruppen von Mädchen und Jungs gegenseitig, und manchmal lud einer ein Mädchen ein – und bezahlte natürlich für die Fahrt. Attraktiv war außerdem der Autoscooter, weil man zu zweit fahren und sich die Mark teilen konnte. Dafür

gaben die Großeltern immer ein bisschen Taschengeld. Nicht viel, aber damals konnte man mit drei, vier Mark ja auch schon einiges machen. Meistens haben wir uns etwas zu essen gekauft, einen Paradiesapfel oder so, und dann sind wir drei, viermal gefahren und dann war das Geld weg.“

Gab es besondere Erlebnisse auf der Kirmes?

„Einmal habe ich ein Mädchen kennengelernt, die mit vielen kleinen Geschwistern unterwegs war und auf sie aufpassen musste. Die habe ich zu einer Fahrt auf dem Autoscooter eingeladen, während ihre Freundin die Kleineren beaufsichtigte. Und einmal bin ich mit der bunt gestrichenen, hölzernen Achterbahn gefahren, da ist mir so schlecht geworden, dass ich das nie wieder gemacht habe. Wie das so üblich war, haben wir vorher aber auch alles durcheinander gegessen.“

Haben Sie mit den Schaustellern Kontakt gehabt, ohne die es die Attraktionen ja nicht gegeben hätte und geben würde?

„Ich war bei der Bundeswehr für kurze Zeit mit jemandem auf dem Zimmer, dessen Familie seit mehreren Generationen eine Losbude besaß. Er fragte mich irgendwann, als wir am Wochenende freihatten, ob ich nicht Lust hätte, für ein paar Stunden auf der Kirmes in Bremen zu helfen. Dann bin ich da hingefahren, und das war richtig klasse. Die Eltern waren unheimlich in Ordnung, es gab ein ganz tolles Essen in ihrem schönen hölzernen Wohnwagen, in dem es nicht anders aussah als in jeder anderen guten Stube. Dann habe ich ein paar Stunden gearbeitet, Lose an Kinder verteilt und abends noch geholfen, den Wagen und den Platz davor zu fegen und Teile zu sortieren. Die Familie hat so gut gezahlt, dass ich gefragt habe, ob ich das nicht nochmal machen könne. Aber es stellte sich natürlich heraus, dass sie nur ein paar Tage in Bremen waren und danach zur nächsten Kirmes woanders hinfuhren. Das war ein echtes Erlebnis.“

Wie ist es für Sie, aktuell eine Kirmes in Castrop zu besuchen?

„Also auch früher war die große Kirmes ja in der oder um die Altstadt. Mal auf einem Ascheplatz, mal in Richtung Erin-Park und Stadtgarten, meistens aber auch auf dem Marktplatz und in den Seitenstraßen. Und ich muss sagen, dass im letzten Jahr die Kirmes so voll war wie schon sehr lange nicht mehr. Da war ja kein Durchkommen! Viele Familien natürlich, das ist für die Kinder toll!“

So sah es im vergangenen Jahr auf der Castroper Frühjahrskirmes aus.
So sah es im vergangenen Jahr auf der Castroper Frühjahrskirmes aus.© Tobias Weckenbrock (Archiv)
Mehr Jobs

Sie sind bereits registriert?
Hier einloggen