
Eine Juristin, ein Übergriff – und ein Rechtssystem, das sie vor neue Fragen stellt. In „Prima Facie“ am Westfälischen Landestheater wird aus einer Verteidigerin schlagartig selbst eine Betroffene. Ihre festen Überzeugungen geraten ins Wanken, ihre Sicht auf Recht und Gerechtigkeit wird auf den Prüfstand gestellt.
Zwei Rollen, ein System
Tessa ist Strafverteidigerin im Sexualstrafrecht. Immer wieder schafft sie es, Männer freizusprechen, denen sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden. Sie kennt die Schwachstellen im System, weiß genau, wie Aussagen erschüttert werden. Und wird sie gefeiert.
Doch dann wird aus der Verteidigerin plötzlich eine Betroffene. Nach einer Partynacht übergeht ein Kollege ihren Willen, drängt sich an sie – und lässt eine Sprachlosigkeit zurück, die schwerer wiegt als jedes Urteil. Zweifel nagen an ihr, eine Frage brennt unaufhörlich: War das eine Vergewaltigung?
Tessa zeigt ihn an. Sie kennt die Abläufe, das Verfahren, die Regeln. Doch als Betroffene nützt ihr das nichts. Zweifel werden laut, Erinnerungen hinterfragt, Aussagen relativiert. Und plötzlich steht sie auf der Seite, die sie bisher juristisch seziert hat.

Spiel um Wahrheit und Gerechtigkeit
Inszeniert wird das Stück von WLT-Intendant Ralf Ebeling. Die Bühne bleibt karg, die Inszenierung konzentriert sich auf die Sprache und das Spiel der Schauspielerin Arikia Orbán. Die Vorlage stammt von der australischen Autorin Suzie Miller, deren Text 2022 in London für Aufmerksamkeit sorgte. Nun kommt „Prima Facie“ erstmals an ein Landestheater in NRW.
Wann ist Sex einvernehmlich? Was bedeutet Gerechtigkeit – und wie verhält sie sich zum Recht? Das Stück stellt keine Thesen auf, es beobachtet. Und es zeigt, wie schnell Vertrauen in ein System brüchig werden kann, wenn man selbst darin zum Fall wird. Karten sind online und an der Theaterkasse erhältlich.
