
Seit 2012 war Anja Müller als freiberufliche Bühnen- und Kostümbilderin am Westfälischen Landestheater (WLT) tätig und hat dort die Ausstattung für 20 Produktionen gestaltet. Ab der Spielzeit 2024/2025 wechselt sie in eine Festanstellung als Kostümleiterin am Theater Hagen. Im Interview berichtet Anja Müller über ihre Arbeit und die schönsten Erfahrungen am WLT.
An welche WLT-Produktionen, die du als Ausstatterin gestaltet hast, erinnerst du dich besonders gerne?
Sehr gerne erinnere ich mich an die Produktionen mit Tankred Schleinschock, da ich musikalische Produktionen sehr mag. Es waren alles gelungene Kombinationen aus Kinder- und Jugendtheater mit dem Musiktheater. Für diese Genres ist es einfach schön, sich mit dem Bühnen- und Kostümbild in sehr fantasievolle oder auch abstrakte Welten zu begeben und diese für das Stück zu visualisieren. Die Produktionen „Der kleine Wassermann“, „Der Zauberer von Oz“ und „Die Schöne und das Biest“ habe ich alle sehr gemocht. An den Produktionen mit dem Regisseur Christian Scholze schätze ich den hohen Anspruch an zeitgenössische, politische und soziale Themen. Daran habe ich besonders gerne und mit einem Heidenrespekt vor den Themen gearbeitet. Die Zusammenarbeit mit Christian hat mir viele visuell abstrakte und spannende Bühnenbildentwürfe ermöglicht.
Wie kann sich ein Laie deine Arbeit als Bühnen- und Kostümbildnerin vorstellen?
Wenn der Auftrag erteilt ist, fange ich damit an, das Textbuch zu lesen und währenddessen erste Ideen zur Bühne oder auch den Kostümen zu entwickeln. Dann setze ich mich mit der Regie zusammen und wir tauschen uns zu unseren Ideen aus. Meistens nähert man sich an und findet einen gemeinsamen Weg. Dann sitze ich an meinem Arbeitstisch, skizziere und beginne mit dem Modellbau fürs Bühnenbild, um zu sehen, was technisch und ästhetisch funktioniert. Das ist eine ganz wichtige Phase in der Ideenfindung.
Nachher im weiteren Gespräch mit der Regie erfährt dieser Ansatz im besten Fall Zustimmung und weitere Anpassungen und Ideen. Zu Hause habe ich eine kleine Modellbau-Werkstatt. Das Wichtigste sind: Pappe, Farbe, Cutter in allen möglichen Variationen, Klebstoffe und ein großer Fundus an unterschiedlichen Materialien und kleinen Bauteilen. Ich baue den Entwurf in klein so genau, dass ich die Materialität und Farbigkeit für die Werkstätten abbilde und fertige dazu später technische Zeichnungen an. Dieses Ergebnis wird vor Produktionsbeginn in Form einer Bauprobe auf der Bühne in seinen Ausmessungen getestet und für machbar erklärt, bevor es in den einzelnen Werkstätten wie der Schreinerei, Schlosserei, dem Malsaal und der Requisite angefertigt wird.
In der Produktionsphase bin ich dann sehr viel vor Ort in den Werkstätten, um zu schauen, wie es umgesetzt wird. Für die Kostümabteilung zeichne ich Entwürfe, die sogenannten Figurinen. Diese können auch in Form von Recherche-Fotos oder Collagen erstellt werden. Teilweise entstehen Kostüme auch direkt aus dem Kostümfundus, aus dem sie zu dramaturgisch passenden Sets für die einzelnen Rollen zusammengestellt werden. Am meisten Spaß machen natürlich neue Kostüme, die komplett nach den Figurinen angefertigt werden und mithilfe von Anproben zur Aufführungsreife gebracht werden.

Was schätzt du an der Arbeit am WLT?
Ich habe es hier sehr geschätzt, wie die Kommunikation und die Zusammenarbeit am Haus funktionieren. Bei jedem Arbeitsbesuch durfte ich mich über die großen Veränderungen an den aktuellen Arbeiten erfreuen und habe mich immer sehr willkommen gefühlt. Am WLT geht es immer in großen Schritten voran. Die Freude und Neugierde auf den jeweils nächsten Entwurf ist an diesem Haus ganz besonders zu spüren. Als Gast werde ich ja eingeladen, mit den Mitarbeitern zusammenzuarbeiten und es macht sehr viel Spaß, mit so motivierten und zugewandten Kollegen arbeiten zu dürfen. Ich habe mich immer sehr wohl an diesem Haus gefühlt.
Warum wechselst du in eine Festanstellung?
Jetzt war ich 25 Jahre selbstständig. Ich habe viel erleben dürfen, aber nun leider auch die Corona-Zeit, die viel Bewusstsein für die Unwägbarkeiten dieser Freiberuflichkeit (Stichwort Solo-Selbständige) geschaffen hat. Positiv ist: Man kann seine zeitlichen Tagesabläufe teilweise selbst gestalten, aber es gibt keine Garantie für Aufträge. In meiner Position ist man sehr abhängig von den Netzwerken und teilweise auch von der Auftragslage der Theater und Regisseure. Mit der Stelle in Hagen war es jetzt auch ein bisschen ein Zufall. Ich hatte diesen Seitenwechsel nicht von langer Hand geplant.
2023 konnte ich durch den Einstieg in die Kostümleitung bei den Gandersheimer Domfestspielen Einblick in die Tätigkeit der Abteilungsleitung und das Personalwesen für den Kostümbereich erfahren. Das Theater Hagen ist mit seiner Nähe zu meinem Wohnort Wuppertal attraktiv und ich hatte in den letzten Jahren intern viele positive Rückmeldungen über das Arbeiten an diesem Haus erhalten. Als die Stellenanzeige erschien, habe ich mich spontan beworben und es hat gepasst.
Was ist das Schönste an deinem Beruf?
Abgesehen von der Möglichkeit, dass eigene Entwürfe 1:1 umgesetzt, gebaut, geschneidert, geschlossert, beleuchtet und schlussendlich öffentlich gezeigt werden, ist es vor allem die Zusammenarbeit vieler Menschen, die alle gemeinsam auf das große Ziel der Premiere hinarbeiten. Das ist Kommunikation und Teamarbeit pur.
Das Gespräch führte Nadja Juskowiak, Pressereferentin des WLT.
