Martina bricht alle Brücken ihres alten Lebens ab „Ohne die Diakonie wäre ich gescheitert“

Eine Frau geht die Treppe hoch.
Martina Meier läuft die Treppe zu ihrer früheren Wohnung der Wohnungslosenhilfe hinauf. Sie möchte nicht erkannt werden. © Uwe Wallkötter
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Es ist die Hochphase der Corona-Pandemie. Eine Zeit, die mit ihren Einschränkungen für ein normales Leben allen an die Nieren geht. Martina Meier geht es nicht anders. Im wahren Leben heißt die 49-Jährige anders, sie möchte ihre Geschichte erzählen, allerdings anonym bleiben. Eine Geschichte, die sie im letzten Jahr ins Café HübsSch und zur Wohnungslosenhilfe der Diakonie in Datteln führt. Als sie hier ankommt, hat sie eine tragische Odyssee hinter sich. „Ich war am Boden, ich war am Ende“, erzählt sie im Gespräch mit unserer Redaktion, während sie sich nervös durch die Haare streicht. Es ist mehr als deutlich, die Erinnerung an die letzten zwei Jahre haben bei Martina Spuren hinterlassen. Bei der Frage, ob sie bei all dieser Misere auch an Selbstmord gedacht habe, schüttelt Martina Meier aber energisch den Kopf.

„Während Corona hatte ich viel Zeit zum Nachdenken“

Es ist 2021, als sie für sich eine einsame Entscheidung trifft. „Ich hatte während Corona viel Zeit zum Nachdenken“, erinnert sie sich. „Ich bin aus meinem alten Leben abgehauen.“ Dabei war von außen betrachtet eigentlich alles normal. Martina hat zwei Kinder, ist zehn Jahre mit ihrem Partner zusammen, hat einen Job als Lagerarbeiterin in Lüdinghausen. Dann aber fasst sie den Entschluss, alle Brücken zu ihrem alten Leben abzubrechen. Sie wünscht sich mehr Freiheit. „Alle haben über mich und mein Leben bestimmt. Da musste ich einfach raus.“

Quasi über Nacht verschwindet sie aus Olfen, wo sie geboren und aufgewachsen ist. Sie flieht nach Münster. „Am Anfang sah es eigentlich ganz gut aus“, erzählt sie. Aber dann geht es bergab. Sie hat keinen Job, hat kein Geld, steht vor einem Scherbenhaufen. „Ein paar Tage war ich im Frauenhaus“, erinnert sich die 49-Jährige. Wie soll es weitergehen? Auf der Straße leben will sie verständlicherweise nicht. Martina: „Ich bin zunächst bei meinem Sohn in Datteln untergekommen.“ Aber der Vermieter durfte nicht mitbekommen, dass sie bei ihrem Sohn quasi Untermieter ist. „Ich musste mich abends hereinschleichen, damit der Vermieter nichts erfährt“, beschreibt sie ihre missliche Situation. Aber zumindest hat sie ein Dach über dem Kopf.

Freundin gibt den Tipp für das Café HübsSch

Dann folgt der nächste Nackenschlag. Ihrem Sohn wird die Wohnung gekündigt. „Das Geld reichte nicht mehr aus, er hatte Mietschulden“, erzählt Martina. Er kommt bei Freunden unter, sie bei einer Freundin. „Aber das war natürlich keine Lösung“, sagt die gebürtige Olfenerin. Aber ihre Freundin zeigt ihr den Weg auf. Sie sagt: „Mach doch einen Termin im Café HübsSch.“ Die Einrichtung ist Anlaufstelle für Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind. „Meine Freundin war selbst schon einmal im Café HübsSch“, sagt die 49-Jährige.

„Das war der richtige Schritt. Ohne die Diakonie, ohne die Hilfe hier wäre ich gescheitert“, ist sich die blonde Frau sicher. Sie wird aufgenommen in einer der fünf Wohnungen für betreutes ambulantes Wohnen über dem Café HübsSch. „Das war eine Dreier-Frauen-WG. Das hat mir echt gut gefallen dort“, erzählt die Olfenerin. Das Team um Leiterin Andrea Becker stellt nicht nur eine Wohnung. Sie helfen Martina Meier bei Behördengängen, helfen beim Umzug, stellen Möbel zur Verfügung, organisieren Ausflüge, geben ihr eine Telefonkarte. „Das war echt Luxus für mich“, so die 49-Jährige.

Eine Frau steht im Türrahmen
Willkommen im Café HübsSch: Andrea Becker leitet die Wohnungslosenhilfe Ostvest.© Uwe Wallkötter

Aber die Anfänge waren nicht einfach. Martina Meier wird gewissermaßen mit ihren alten Problemen konfrontiert. Sie fühlt sich immer wieder, wie damals, fremdbestimmt. „Wer bei uns im Programm ist, hat je nach Vereinbarung mit dem LWL eine bestimmte Stundenzahl pro Woche an Betreuung“, erläutert Andrea Becker. Das sind Betreuungsstunden, die Pflicht sind. „Wer die nicht in Anspruch nimmt und einfach nur eine Wohnung bei uns haben möchte, den können wir nicht bei uns behalten“, so die Leiterin.

Seit Dezember hat Martina Meier wieder eine eigene Wohnung in Datteln. Gut 40 Quadratmeter groß. Aktuell bezieht sie Bürgergeld. 502 Euro im Monat. Nicht wirklich viel. „Aber ich fühle mich jetzt wieder wohl, kann ein eigenständiger Mensch sein. Und ich versuche auch, wieder eine Stelle zu finden“, sagt Martina Meier. Und noch einmal betont sie, was sie schon zu Anfang gesagt hat: „Alleine, ohne die Diakonie hätte ich das nicht geschafft.“

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