
Um viele Krankenhäuser steht es finanziell nicht gut. Die meisten Kliniken in Deutschland werden aufgrund von allgemeinen und vor allem Personal-Kostensteigerungen in die Miese rutschen, wenn sie es nicht schon sind. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft rechnet mit dutzenden Klinik-Insolvenzen in diesem Jahr. Auch die Kinderklinik in Datteln wird zum Jahresende tiefrote Zahlen schreiben. Das sagt Geschäftsführer Dr. Martin Meyer im Gespräch mit unserer Redaktion. Seine Einschätzung der Lage: „So schlimm war es wohl noch nie bei uns.“
Defizit, obwohl Patientenzahlen steigen
Dabei mangelt es im Gegensatz zu Erwachsenen-Krankenhäusern nicht an Patienten. Im Gegenteil. 2019, das Jahr vor Corona, gilt im Krankenhausbereich als Referenzjahr. „Wir liegen mit unseren Patientenzahlen deutlich über dem Wert von 2019“, sagt Dr. Martin Meyer. Aber die erheblichen Personalkostensteigerungen nach den Tarifabschlüssen sowie die Zahlung des Inflationsausgleichs von 3000 Euro an die Mitarbeiter sorgen für eine bedrohliche Schieflage, die sich, wenn es keine Hilfe gibt, 2025 noch verschlimmern wird. Und Dr. Meyer weiß derzeit nicht, wo diese Hilfe herkommen soll.
Ein Minus zwischen 1,7 und 2 Mio. Euro erwartet
Die Prognose für 2024 sieht so aus: „Wir werden mit einem Defizit zwischen 1,7 bis 2 Mio. Euro abschließen. Für ein Krankenhaus unserer Größenordnung ist das relativ viel.“ Die Klinik hat laut Dr. Meyer ein Jahresbudget von rund 77 Millionen Euro. Die jüngsten Tarifsteigerungen von rund zehn Prozent schlagen in der Kinderklinik besonders ins Kontor. Denn das Krankenhaus hat aufgrund der besonderen Versorgungs- und Betreuungslage von Kindern einen deutlich höheren Personalschlüssel als Erwachsenen-Kliniken. Die Tarifsteigerungen treffen die Kinderklinik deshalb quasi doppelt. „Unser Personalkostenanteil liegt bei 84 Prozent, Erwachsenen-Kliniken liegen bei 70 bis 75 Prozent“, so der Geschäftsführer. In konkreten Zahlen ausgedrückt: Die Tariferhöhungen bedeuten im Jahr für die Dattelner Kinderklinik rund sechs Mio. Euro an zusätzlichen Ausgaben.
Tarifsteigerungen nur zum Teil refinanziert
Dieses Dilemma wird noch durch zwei Aspekte verschärft. Zum einen muss die Kinderklinik diese höheren Personalkosten vorfinanzieren, weil die neuen Tarifabschlüsse erst zeitverzögert bei den Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen einfließen. „Und wir bekommen bestenfalls diese höheren Personalkosten zur Hälfte refinanziert“, skizziert der Geschäftsführer die finanzielle Bredouille.
In Berlin wird zwar derzeit darüber beraten, die Tarif-Refinanzierung in die Budgetverhandlungen mit hereinzunehmen. „Das wäre natürlich gut, wenn das kommen würde. Das wird aber nur für künftige Tarifabschlüsse gelten, nicht aber rückwirkend. Diese Lücke in diesem Jahr wird sich also niemals schließen.“ Die Lage sei echt ernst, blickt Dr. Meyer in die finanzielle Zukunft der Kinderklinik. Denn im Vergleich zu großen Uni-Kliniken oder Krankenhäusern in kommunaler Trägerschaft gibt es im Background für die Kinderklinik wie auch für das Dattelner St. Vincenz niemanden, der das Defizit ausgleicht.

Ein weiterer Aspekt der Krankenhausfinanzierung, bei der man als Laie nur den Kopf schütteln kann: Die Kinderklinik liegt mit den Fallzahlen deutlich über dem Wert des Referenzjahres 2019. Es wurden als mehr kranke Kinder behandelt als noch vor fünf Jahren. Aber dafür wird die Kinderklinik sprichwörtlich bestraft. „Jeder Patient, den wir im Vergleich zu 2019 mehr behandeln, für den müssen wir zwei Drittel der Krankenkassenleistung zurückzahlen“, schildert der Geschäftsführer. Würde die Kinderklinik unter dem Wert von 2019 liegen, gebe es einen finanziellen Ausgleich.
„Die Situation ist existenziell“
Rund 1300 Mitarbeiter beschäftigt die Kinderklinik in Datteln, ist damit der größte Arbeitgeber der Stadt. Müssen sich die Mitarbeiter Sorgen machen, angesichts der finanziellen Entwicklung? „Nein“, sagt Dr. Martin Meyer. Trotz des erwarteten Millionen-Defizits sei die Lage an der Kinderklinik im Vergleich zu anderen Krankenhäusern im Land „relativ stabil“ – noch. Das liege daran, dass die Kinderklinik in den letzten Jahren noch ein Plus erwirtschaften konnte. Rücklagen allerdings sind Fehlanzeige. Dennoch: „Die Situation ist existenziell“, will Dr. Meyer die Sache gar nicht schönreden.