Hochbegabt und übersehen Christina über das Leben als „Underachiever“ in Dorsten

Christina und ein Mann halten ein Schild mit #ECHT Mensch
Christina (l.) spricht für das Projekt #ECHT über ihre Erfahrungen. © HerausForderung e.V.
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Sie sind klug, sensibel, kreativ – und wurden doch lange nicht gesehen: Christina und Luna stehen beispielhaft für Menschen, die unter dem Radar fliegen, obwohl sie weit mehr in sich tragen, als man ihnen zutraut. In ihren Geschichten geht es um das Etikett Underachiever und um den Mut, sich davon nicht bremsen zu lassen.

Für die Ausstellung #ECHT haben Christina und Luna über ihre Erfahrungen gesprochen.

„Ich war sechsspurig unterwegs“

Christina ist 47 Jahre alt, hochbegabt, hochsensibel – und auf dem Weg, Ergotherapeutin zu werden. Doch bis hierher war es ein langer, oft steiniger Weg. In der Schule galt sie als „zu viel“, obwohl sie schneller dachte als andere.

Ihre Hochbegabung wurde nicht erkannt, ihre Kreativität missverstanden. Sie wurde nicht gefördert, sondern gebremst. „Ich war sechsspurig unterwegs – und sollte mit einem langsamen Auto rechts fahren. Das hat mich überfordert“, sagt sie rückblickend.

Was Fachleute heute als typische Anzeichen neurodivergenter Begabungen erkennen würden, blieb damals unsichtbar. Christina war eine klassische Underachieverin: große Fähigkeiten, kleine Erfolge – weil das System sie nicht abholen konnte.

Christian #echt
Christinas Lebenslauf ist nicht geradlinig, hat aber einen roten Faden.© HerausForderung e.V.

Heute blickt sie anders auf ihren ungewöhnlichen Lebenslauf. Die vielen Umwege – von der Kinderanimation über kreative Projekte bis zum Coaching – ergeben rückblickend Sinn. „Jetzt fügt sich alles zusammen“, sagt sie.

„Ich schäme mich nicht mehr.“ Als angehende Ergotherapeutin will sie Kinder begleiten, die – wie sie früher – unterfordert, überfordert oder einfach nicht verstanden werden.

„Ich wurde unterschätzt, aber ich weiß, was ich kann“

Auch Luna, 17 Jahre alt, kennt das Gefühl, übersehen zu werden. In ihrer alten Schule wurde ihr wenig zugetraut. „Sie haben gesagt, ich schaffe den Hauptschulabschluss nicht“, erinnert sie sich. Doch sie ließ sich nicht unterkriegen.

„Ich bin hilfsbereit, kreativ und kann gut zuhören“, sagt Luna. Eigenschaften, die nicht in Noten messbar sind, aber im Leben zählen. Dass sie lange unterschätzt wurde, hat sie nicht gebrochen, sondern gestärkt. „Ich zeige, dass ich es kann“, sagt sie. Noch weiß sie nicht genau, welchen Beruf sie einmal ergreifen will. Aber sicher ist: Es wird einer sein, in dem sie etwas zurückgeben kann.

ECHT stark – trotz Hindernissen

Christina und Luna stehen für viele, deren Talente unter der Oberfläche liegen und die erst spät oder nur durch Zufall erkannt werden.

Ihre Geschichten machen sichtbar, was das Etikett Underachiever oft verbirgt: Potenzial, das nicht in standardisierte Lebensläufe passt. Kreativität, die durch Systeme fällt. Intelligenz, die nicht ins Schema passt.

Luna
Auch Luna fiel als „Underachiever“ oft durchs Raster.© HerausForderung e.V.
Zum Thema
Serie #ECHT

Im Rahmen der Ausstellung #ECHT sind Interviews mit Dorstenern entstanden, die von systemischer Diskriminierung betroffen sind. Nach der Ausstellung werden die Inhalte in einer Serie der Dorstener Zeitung veröffentlicht.

Dr. Stefanie Marzian vom Verein HerausForderung leitet und organisiert das Projekt zusammen mit der Jugendberufshilfe Dorsten.

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