Betroffene sprechen in Dorsten über Diskriminierung Alison: „Ich bin nicht nur alleinerziehend“

Lille und Alison bei der ausstellung #echt in dorsten
Lille (l.) und Alison (r.) erleben beide systemische Diskriminierung. Für die Ausstellung #ECHT haben sie über ihre Erfahrungen gesprochen. © privat
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Alleinerziehend zu sein, bringt Hürden mit sich, die sowohl die Kinder als auch das Elternteil zu spüren bekommen. Alison und Lille erzählen von Bürokratie, verpassten Klassenausflügen, fehlender Unterstützung und Wünschen.

Für die Ausstellung #ECHT in Dorsten sprechen die beiden in einem Interview mit Stefanie Marzian von HerausForderung e.V. über die systemische Diskriminierung, die sie erfahren.

„Ich bin nicht nur alleinerziehend. Ich bin Mama, Freundin, Geschäftsfrau – und eine mutige Visionärin“, sagt Alison Marburger. Die 35-Jährige ist Mutter zweier neurodivergenter Kinder und berufstätig.

Ohne die Hilfe ihrer Familie wäre ihr beruflicher Weg so nicht möglich gewesen. Auch ihr Arbeitgeber zeigt Verständnis für ihre Situation. „Ich hatte Glück – und genau das ist das Problem“, sagt Alison.

„Das ist keine Selbstverständlichkeit. Und das ist zutiefst ungerecht. Denn es sollte nicht vom Zufall abhängen, ob man als Alleinerziehende wachsen kann – beruflich wie persönlich.“

Klare Forderungen

Demnach ist es auch klar, dass es viele Alleinerziehende gibt, die dieses Glück nicht haben und an den gesellschaftlichen wie strukturellen Hürden scheitern. Alison fordert daher: weniger Bürokratie, mehr Flexibilität und Anerkennung für die Leistung, die Alleinerziehende täglich meistern.

Alison und Lille
Alison und Lille haben an der Ausstellung #ECHT teilgenommen.© HerausForderung e.V.

Sie wünscht sich ganz konkret Hilfe im Alltag, wie die Hilfe beim Haushalt oder eine Unterstützung beim Einkaufen. „Nicht mehr Betreuung, sondern mehr Entlastung. Da, wo es wirklich hilft“, erklärt sie ihre Forderung.

Alison spürt zudem den Druck, allen Rollen gleichermaßen gerecht werden zu müssen. Dabei werde häufig übersehen, dass hinter Alleinerziehenden ein Mensch mit eigenen Träumen und Wünschen steckt.

„Mutter sein, Karriere machen – da ist immer eine Seite, die sich schuldig fühlt. Der gesellschaftliche Blick auf Alleinerziehende ist leider häufig hart und wenig differenziert: Entweder man ist karriereversessen oder eine Übermutter – dazwischen scheint es nichts zu geben“, schildert sie ihre Erfahrungen.

Lille hat eine alleinerziehende Mutter

Die elfjährige Lille hat eine alleinerziehende Mutter und eine gesundheitliche Einschränkung. Noch nimmt sie systemische Diskriminierung nicht direkt wahr – auch wenn sie vorhanden ist, wie ihre Mutter erklärt. „In der Grundschule brauchte ich mal für etwas die Unterschrift von beiden Eltern. Mein Papa war aber nicht erreichbar. Und dann durfte ich erst nicht mitmachen“, erzählt Lille.

Obwohl ihre Mutter eine Vollmacht vorgelegt hat, gab es Gespräche mit der Schulleitung. „Dabei war es gar nicht mein Fehler“, sagt Lilles Mutter.

Ihre Einschränkung macht es Lille manchmal nicht leicht, aber sie beißt sich durch. Lernt sogar, zu schwimmen und Rad zu fahren.

Lille zeichnet ihre positive und fröhliche Art aus. Besonders gerne mag sie Faultiere und kann sich vorstellen, später mal im Zoo zu arbeiten. Ein bisschen sieht sie bei sich die Ähnlichkeit zu den Tieren, aber nicht, weil sie faul ist: „Faultiere sind super – denn sie geben nicht auf. Sie sind langsam, aber sie bleiben immer in Bewegung. Sie erreichen ihr Ziel, auch wenn es länger dauert“, stellt sie fest.

Außerdem ist sie mutig: Auf der Klassenfahrt war sie im Kletterwald und ist bis ganz nach oben auf den Zehn-Meter-Turm geklettert. „Ich war ja gesichert – sonst wäre ich nicht hochgegangen. Aber das war richtig cool, da oben rüberzublicken.“

Zum Thema
Serie #ECHT

Im Rahmen der Ausstellung #ECHT sind Interviews mit Dorstenern entstanden, die von systemischer Diskriminierung betroffen sind. Nach der Ausstellung werden die Inhalte in einer Serie der Dorstener Zeitung veröffentlicht.

Dr. Stefanie Marzian vom Verein HerausForderung leitet und organisiert das Projekt zusammen mit der Jugendberufshilfe Dorsten.

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