Früher Lager gefegt, heute an der Unternehmensspitze Tim Dolezych führt einen Weltmarktführer

Tim Dolezych mit Stahlseilen in den Werkshallen seines Unternehmens.
Tim Dolezych mit Stahlseilen in den Werkshallen seines Unternehmens. © Dennis Pesch
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In viel größere Fußstapfen als die seines Vaters Udo Dolezych konnte Tim Dolezych eigentlich nicht treten. Sein Vater trägt das Bundesverdienstkreuz, ist in der Dortmunder Wirtschaft eine Legende. Der ehemalige IHK-Präsident zu Dortmund und heutige Ehrenpräsident sitzt auch mit 83 Jahren noch in den Ledersesseln bei den Sitzungen des IHK-Präsidiums im obersten Stockwerk.

Tim Dolezych aber trifft heute die operativen Geschäftsentscheidungen für das gleichnamige Unternehmen. Über die Jahre hat der Vater seinem Sohn immer mehr Unternehmensanteile und Verantwortung übertragen. In große und auch manche sehr kleine Geschäftsentscheidungen ist der Vater aber bis heute eingebunden.

Mitten im Dortmunder Hafen liegt die Zentrale von Dolezych, dem Weltmarktführer für Ladungssicherungs- und Hebetechnologien. Im Showroom der Zentrale hängen die Produkte an einer ausgeleuchteten gläsernen Wand. Wenn Tim Dolezych das Licht der Wand anschaltet, lächelt er. Es ist wie eine persönliche Zeitreise durch die Welt der Ladesicherung und Hebetechnik, von den ersten Stahlketten zu den modernsten Zurr- und Spanngurten.

Ein technikaffiner Unternehmer

Der junge Dolezych, er philosophiert fast schon über seine Produkte, er kennt jedes Detail und kann seine Produkte auch technisch erklären. Er ist ein klassischer Familienunternehmer, verheiratet, Vater von zwei Kindern: „Das steht über allem, Familie“, sagt Tim Dolezych. „Und dann gibt es da noch eine große Leidenschaft, die Firma.“ Der Firmenchef ist selbst in einer Familie mit drei Geschwistern aufgewachsen.

650 Menschen beschäftigt Dolezych weltweit, 250 davon allein in Dortmund. Das Unternehmen betreibt insgesamt acht Standorte auf der Welt, in Polen, Russland, der Ukraine, China, Chile, der Türkei und in den USA. Eine schwere Geschäftsentscheidung des jungen Dolezych war die Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Doch dazu später mehr.

Vom Ferienjobber zum Produktionsteam

Seine Unternehmensreise hat der junge Tim Dolezych schon im frühen Kindesalter begonnen – am Küchentisch, wo Vater Udo beim Abendessen vom im Jahr 1935 gegründeten Industrieunternehmen erzählt hat. Sein Vater führte die Firma in zweiter Generation, stieg 1968 ins Geschäft ein bis er 1990 alleiniger geschäftsführender Gesellschafter wurde und das Unternehmen in die internationale Expansion führte.

Der 41-Jährige ist Wirtschaftsingenieur im Maschinenbau und ein Technologie-Nerd für seine Produkte.
Der 41-Jährige ist Wirtschaftsingenieur im Maschinenbau und ein Technologie-Nerd für seine Produkte.© Dennis Pesch

Einer der interessierten Zuhörer am Küchentisch war sein Sohn. Als Jugendlicher mit 15 beginnt im Prinzip schon seine Karriere. Tim Dolezych macht Ferienjobs im Unternehmen: „Ich habe das Lager gefegt, Seile konfektioniert, Hebebänder genäht.“ Der junge Dolezych ist Teil des Produktionsteams.

Doch wie war das, der Sohn vom Chef zu sein? Tim Dolezych denkt lange nach, bis er antwortet: „Der Anspruch an mich selbst war immer, mich nicht darauf auszuruhen. Natürlich wurde mir auch etwas damit geschenkt, in einer Unternehmerfamilie geboren zu sein.“

Es ist eine Erfahrung mit dem damaligen Logistikleiter, die illustriert, wie Tim Dolezychs Verhältnis mit den Mitarbeitern seines Vaters war: „Ich habe ihn immer gesiezt. Der kannte mich schon als Kleinkind und hat mich immer geduzt. Als ich dann bei ihm gearbeitet habe, hat der mir gesagt: ‚Tim, wir sind hier Kollegen und hier duzen wir uns alle.‘“ Damals ist Dolezych 18 Jahre alt, heute sagt er: „Es war egal, ob ich der Sohn vom Chef war.“

Ein bemerkenswerter Fernsehbeitrag

Dolezych geht dann für ein Jahr zur Bundeswehr, beginnt 2003 ein Studium der Betriebswirtschaftslehre, ein halbes Jahr hält er sich dafür in den USA auf. Fünf Jahre dauert sein Studium. Und in den Semesterferien? „War ich Vollzeit hier und hab hier im Vertrieb, in der IT, in der Buchhaltung und anderen Abteilungen gearbeitet.“

Es ist 2008, als der damals 25-Jährige schon als Unternehmensnachfolger feststeht. Im September desselben Jahres bricht die US-Großbank Lehman Brothers zusammen. Es ist der Höhepunkt der Finanzkrise, die sich auf die ganze Weltwirtschaft auswirkt, Panik und Angst an den Märkten und in den Unternehmen, besonders in der Industrie, auslöst.

Kurz vor Weihnachten erscheint ein Fernsehbeitrag des Senders „Deutsche Welle“ über das Unternehmen Dolezych. Mitten zur Weltwirtschaftskrise läuft Udo Dolezych durch die Werkshallen in Dortmund: „Der Nikolaus ist wieder da, Sie müssen einen Augenblick Pause machen“, sagt er zu einem Mitarbeiter. Hinter ihm steht der damals 25-jährige Tim Dolezych. Er trägt einen Anzug, wie sein Vater, und einen Teller mit „Stutenkerlen“ hinter ihm her.

Eine Reporterin fragt Tim Dolezych, ob sein Vater gut Verantwortung abgeben könne.
Eine Reporterin fragte Tim Dolezych, ob sein Vater gut Verantwortung abgeben könne.© Dennis Pesch

Später im Beitrag ist fast die gesamte Familie zusammen, schlendert über den Weihnachtsmarkt in Dortmund. Udo Dolezych äußert sich zur Nachfolge im Unternehmen: „Ich glaube, ich kann auch gut abgeben“, sagt er. „Glauben Sie das auch?“, fragt die Reporterin Tim Dolezych. Vater, Mutter und Schwester lächeln, alle schauen ihn erwartungsvoll an. „Ähm, ja, also, eh“, dann lacht Tim Dolezych wie er auch heute noch lacht und sagt: „Er kann schon gut abgeben, aber er wird das Ganze mit Argusaugen betrachten und seine Meinung haben, die eben auch sehr wichtig ist.“

Tim Dolezych steigt ins Unternehmen ein

Nur zwei Monate nach diesem Beitrag machte der heutige Unternehmenschef noch einen Abstecher in ein anderes Dortmunder Unternehmen, Murdotec Kunststoffe. Dort baut er ein Exportvertriebsnetz für das Familienunternehmen auf. Zeitgleich wird er noch Wirtschaftsingenieur mit Schwerpunkt Maschinenbau.

2011 dann steigt er endgültig als Prokurist bei Dolezych ein, begleitet den angestellten Geschäftsführer, Karl-Heinz Keisewitt, auf allen Terminen. Bis heute ist Keisewitt auch stellvertretender Geschäftsführer. Er steht den Dolezychs so nah, dass er als einzige familienfremde Person im Beitrag der Deutschen Welle im Jahr 2008 mit der Familie über den Weihnachtsmarkt läuft. Er sagt zwar nichts – aber er ist da.

Udo Dolezych stellt kluge Fragen

2011, als Tim Dolezych Prokurist wird, ist sein Vater schon 72 Jahre alt. Bis zum Jahr 2017 dann bekam der heute 41-jährige Dolezych immer mehr Verantwortung übertragen und damit auch Unternehmensanteile. Konnte Vater Udo also gut abgeben? „Wenn wir Kunden hier hatten, hat mein Vater natürlich noch kurz Hallo gesagt, aber die Termine habe ich mit Herrn Keisewitt zusammen gemacht.“

Tim Dolezych nennt die Ebene, auf der sich sein Vater im Unternehmen heute bewegt, eine „präsidiale“. Udo Dolezych hat etwa ein eigenes Büro und „er stellt vor allem kluge Fragen“, sagt Tim Dolezych. Einen Übergang hätten sie nie eindeutig kommuniziert: „Die operativen Entscheidungen treffe ich und in einigen Dingen entscheiden wir gemeinsam. Da schlage ich etwas vor, das dann in der Regel auch so gemacht wird.“

Tim Dolezych und das Russland-Geschäft

Eine dieser gemeinsamen Entscheidungen betraf im Jahr 2022 auch das Geschäft von Dolezych im russischen Woronesch. Im Oktober 2019 war Tim Dolezych zuletzt dort, kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Ein Foto, das das Unternehmen auf Facebook gepostet hat, zeigt winkende Mitarbeiter. Mittendrin steht Tim Dolezych. Damals verkündet das Unternehmen, dass das Team in eine größere Räumlichkeit umzieht, um zu wachsen.

Stahlseile spielen bis heute eine wichtige Rolle im Geschäft von Dolezych. Eine der größten Innovationen des Unternehmens ist bis heute, dass sie zunehmend auf Polyester setzten, um Ladungen zu heben und zu sichern.
Stahlseile spielen bis heute eine wichtige Rolle im Geschäft von Dolezych. Eine der größten Innovationen des Unternehmens ist bis heute, dass sie zunehmend auf Polyester setzten, um Ladungen zu heben und zu sichern.© Dennis Pesch

35 Menschen beschäftigt Dolezych bis heute über die polnische Muttergesellschaft dort. Operativ und strategisch wird das Geschäft von der polnischen Tochtergesellschaft geführt, so wie der gesamte osteuropäische Markt. „Wir wollen diese Menschen nicht auf die Straße setzen“, sagt Tim Dolezych heute. Am 24. Februar 2022, am Tag der russischen Invasion in die Ukraine, sagte Dolezych: „Wir machen ganz einfach weiter.“

Heute hat er kaum noch Kontakt dorthin. Der Geschäftsführer seines polnischen Tochterunternehmens telefoniert hin und wieder mit der russischen Niederlassung. Die Entscheidung zu bleiben, so sagt der Gesellschafter, er mache sie sich bis heute nicht leicht: „Die russische Niederlassung hat ihr Geschäft immer autark organisiert und sie dürfen keine Gewinne erzielen, die die russische Kriegswirtschaft mit Steuern füttern.“

Die Hoffnung, dass der Krieg endet, das System Putin von einer Demokratie abgelöst wird: Dolezych hält daran fest. Das Unternehmen macht nur einen kleinen Teil des Gesamtgeschäfts aus, keine zwei Prozent. Es gebe keine Lieferabhängigkeiten und keinen Warenaustausch, sagt der Unternehmenschef. Wenn der Krieg irgendwann vorbei ist und sich das System wandelt, will Tim Dolezych wieder „mit unseren Mitarbeitern arbeiten und Beziehungen aufbauen.“

Dolezychs Traditionen

Die Nähe zu den Menschen in seinem Unternehmen erlebte der 41-jährige Dolezych selbst immer durch das Verhalten seines Vaters, wie etwa an Nikolaus als er „Stutenkerle“ mit ihm verteilte. Diese Tradition führt er bis heute mit seinem Vater zusammen weiter. Und Tim Dolezych hat auch eigene Traditionen etabliert. Bei Instagram etwa erhalten langjährige Mitarbeiter einen eigenen Jubiläumsbeitrag. Daneben steht immer der Chef Tim Dolezych und lacht in die Kamera.

Das Unternehmen ist auch bekannt für seine Frachtsicherungsnetze, die etwa bei großen Transportdienstleistern zum Einsatz kommen.
Das Unternehmen ist auch bekannt für seine Frachtsicherungsnetze, die etwa bei großen Transportdienstleistern zum Einsatz kommen.© Dennis Pesch

Wenn der 41-Jährige heute durch die Produktion, das Lager oder den Versand läuft, grüßt er jeden Mitarbeiter namentlich. Der Chef hat selbst in jedem Bereich mindestens einige Wochen mit seinen Mitarbeitern gearbeitet. „Das war mir wichtig. Ich wollte immer eine gute Verbindung zu den Menschen haben, die hier arbeiten.“

Und weil das Unternehmen an guten Traditionen festhalten wolle, will auch Tim Dolezych es später gerne seinem Vater gleichtun. Er bekam die Anteile selbst vom Vater, teils als vorweggenommene Erbfolge. Ein großer Wunsch des heutigen Chefs ist, diese Tradition fortführen zu können: „Falls meine Kinder auch Freude am Unternehmen haben sollten.“

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals am 10. September 2024.

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