
Bundeskanzler Olaf Scholz hat angekündigt, das Parlament über eine Impfpflicht entscheiden und die Abgeordneten ohne Fraktionszwang über so eine strittige und grundsätzliche Frage abstimmen zu lassen. Allein nach Wissen und Gewissen.
In der Regel stimmen Fraktionen im Bundestag geschlossen ab, das heißt, sie passen sich üblicherweise den Mehrheitsbeschlüssen ihrer Partei an. Doch besonders bei schwierigen oder ethisch-moralischen Fragen wird die Abstimmung manchmal auch freigegeben. So voraussichtlich auch bei der Impfpflicht, zu der es innerhalb jeder Fraktion unterschiedliche Meinungen gibt.
Wie sieht es da unter den Dortmunder Abgeordneten aus? Bei den beiden Bundestagsabgeordneten der SPD, Sabine Poschmann und Jens Peick, ist die Sache klar.
Mit Aufklärungsarbeit an Grenzen gestoßen
„Ich habe mich dazu entschieden, bei einer möglichen Abstimmung im Bundestag meine Stimme für eine allgemeine Impfpflicht abzugeben“, sagt Sabine Poschmann auf Anfrage. Die letzten Wochen hätten gezeigt, dass man mit der Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit an Grenzen stoße. Noch immer sei die Impflücke zu groß und aktuelle Untersuchungen zeigten, dass an neun von zehn Infektionen Ungeimpfte beteiligt seien. Poschmann: „Daher halte ich eine Impfpflicht für ein geeignetes Mittel, um mittel- und langfristig Erfolge im Kampf gegen die Pandemie zu erzielen und um schlussendlich auch auf zahlreiche Beschränkungen verzichten zu können.“
„Ich bin überzeugt davon, dass nur Impfungen uns langfristig aus der Pandemie führen werden“, sagt auch ihr Parteikollege Jens Peick. Die Maßnahmen, die im Sommer beschlossen worden seien, habe man ausgehend von der Erwartung entwickelt, dass sie zu einer ausreichend hohen Impfquote führen würden, um dieses Ziel zu erreichen.
Jetzt aber zeige sich, dass bereits die Minderheit der Umgeimpften zu einer starken Verbreitung des Coronavirus beitrage und dass sich mit den bisherigen Maßnahmen keine ausreichende Impfbereitschaft in der Bevölkerung erzeugen lasse, so Peick: „Vor dem Hintergrund neu auftretender und zunehmend aggressiver Virusvarianten wie nun des Typs Omikron, muss daher die Situation neu bewertet und müssen die erforderlichen Maßnahmen angepasst werden.“
Infrastruktur und Impfstoff bereitstellen
Daher befürworte er eine Impfpflicht unter gewissen Voraussetzungen, so der SPD-Abgeordnete: „Der erste Schritt ist dabei die Verpflichtung zur Impfung für alle Personen, die in Einrichtungen tätig sind, in denen sie in Kontakt mit vulnerablen Personengruppen kommen, also beispielsweise in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen.“
Zur Einführung der allgemeinen Impfpflicht sei es notwendig, die entsprechende Infrastruktur und die benötigten Impfstoffmengen bereitzustellen sowie Übergangszeiten zu schaffen, in denen die Bürger die Möglichkeit hätten, sich um einen vollständigen Impfschutz zu bemühen, bevor sie diesen nachweisen müssten.
Schwieriger Abwägungsprozess
Markus Kurth (Grüne) ist „noch im Meinungsbildungsprozess, was die allgemeine Impfpflicht betrifft. Das ist ein schwieriger Abwägungsprozess zwischen dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit des Einzelnen und der Allgemeinheit.“ Er nehme Mails und Proteste, die ihn erreichten, ernst, so Kurth. „Es gibt auch berechtigte Bedenken, auf die man eine vernünftige Antwort finden muss.“ Er habe aber noch eine kleine Hoffnung, dass sich aufgrund der aktuellen Diskussion mehr Menschen als bisher entscheiden, sich auf freiwilliger Basis impfen zu lassen, und sich so die Impfquote erhöht.
Der fraktionslose Abgeordnete Matthias Helferich (AfD) lehnt eine Impfpflicht ab, die Strafandrohung bei Nichtbefolgung vorsieht. Die Bekämpfung der Pandemie werde gelingen, wenn man „auf Freiheit in Eigenverantwortung“ setze. Helferich: „Es muss jedem Menschen freigestellt sein, eine persönliche Risikoabwägung hinsichtlich der Corona-Impfung vorzunehmen.“