Mehr Todesopfer durch Rechtsextremisten Tod eines Punks 2005 in Dortmund war rechte Gewalt

Ersthelfer versorgen den niedergestochenen Schulz an der Haltestelle Kampstraße
Rettungssanitäter kämpfen im März 2005 am U-Bahnhof Kampstraße um das Leben von Thomas Schulz, der von einem Neonazi erstochen wurde (Archivbild). © Archiv
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NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat eine Studie zu Todesopfern rechter Gewalt zwischen 1984 und 2020 vorgestellt. Mit dem Ergebnis: Die Zahl der Todesopfer rechter Gewalt in Nordrhein-Westfalen ist höher als bislang angegeben.

Forscher hatten sich 30 alte Fälle noch einmal angeschaut. Sieben davon müssten rückwirkend als rechtsextrem motivierte Gewalttaten eingestuft werden, so das Ergebnis der Studie, die am Dienstag vorgestellt wurde.

Die Fälle seien durch Experten des Landeskriminalamts (LKA) unter neuen Gesichtspunkten untersucht und neu analysiert worden. Die Arbeit der Polizei ist laut Studie „reflektiert und selbstkritisch“ betrachtet worden.

Rechtsextremistisch motiviert

Die Forschungsfrage lautete dabei: War die Tötung eines oder mehrerer Menschen rechtsextremistisch motiviert?

Bei insgesamt vier untersuchten Fällen ist Dortmund als Tatort angegeben.

Darunter ist auch der Dreifachmord des Neonazis Michael B. im Jahr 2000 in Dortmund und Waltrop. B. hatte damals drei Polizisten erschossen. Die Forscher kamen aber zum Schluss, den Dreifachmord weiterhin nicht als rechtsextrem motiviert einzustufen.

Michael B. erschoss im Jahr 2000 drei Polizisten in Dortmund und anderen Städten. Seine Flucht endete in Olfen.
Michael B. erschoss im Jahr 2000 drei Polizisten in Dortmund und anderen Städten. Seine Flucht endete in Olfen.© picture-alliance / dpa

Als rechtsmotivierte Gewalttat wird nachträglich eine „Körperverletzung“ aus dem Jahr 2005 eingeordnet. Es blieb am Dienstag zunächst noch offen, ob es sich bei der Neueinschätzung um den Fall des Punk-Szene zugehörigen Thomas Schulz handelt. Dies bestätigte sich am Mittwoch (4.9.).

Der auch unter seinem Szene-Namen „Schmuddel“ bekannte Schulz war von dem Neonazi Sven K. im U-Bahnhof Kampstraße erstochen worden. Vor Gericht war dieser Fall damals als Totschlag bewertet worden, der keinen rechtsextremen Hintergrund habe.

Die Forscher stellen in der Studie heraus, dass der damals 17 Jahre alte Täter in der rechten Szene fest verankert gewesen sei und in Punkern als „Zecken“ ein politisches Feindbild gesehen habe.

Fälle zwischen 1992 und 2020

Aufgeführt ist außerdem ein Fall aus dem Jahr 1992, bei dem der Täter schuldunfähig gehandelt hatte. Für einen Fall aus dem Jahr 2020 wird rechte Gesinnung als Tatmotiv ausgeschlossen.

Nach offiziellen Zahlen starben seit der Wiedervereinigung 113 Menschen durch Rechtsextremisten in Deutschland. Medien wie „Tagesspiegel“ und „Zeit online“ kamen aber auf 190 Todesopfer.

Spektakulärer Fall aus Overath

Einen spektakulären Fall aus dem Jahr 2003 hatte das Landeskriminalamt bereits neu als rechts motiviertes Tötungsverbrechen eingestuft. Der Neonazi Thomas A. hatte im Oktober 2003 in Overath bei Köln einen Rechtsanwalt, dessen Ehefrau und Tochter erschossen. Der Anwalt hatte bewirkt, dass der verschuldete Neonazi ein Gehöft verlor, auf dem er Treffen von Rechtsextremisten veranstaltet hatte.

Das Landgericht Köln hatte ihn 2004 zur Höchststrafe verurteilt und im Urteil vermerkt, dass die nationalsozialistischen Vorstellungen des Mörders bei der Tat eine Rolle gespielt haben. Die Neuaufnahme dieses Falles hatte die Studie angestoßen.

Anmerkung der Redaktion: Bei der ersten Veröffentlichung dieses Textes stand noch nicht abschließend fest, ob es sich bei dem neu bewerteten Fall aus Dortmund um die Tötung von Thomas Schulz handelte. Dazu lagen am Mittwoch neue Informationen vor, die wir an entsprechender Stelle ergänzt haben.

Mit Material von dpa

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