
Vorfreude und ein bisschen Aufregung sind dabei, als sich vier Senioren an diesem Morgen an der Konrad-Adenauer-Straße treffen. Zwei Nachbarinnen und ein Ehepaar, das seit 60 Jahren verheiratet ist, setzen ihre FFP2-Masken auf und steigen in den Transporter des Wally-Windhausen-Seniorenzentrums. AWO-Quartiersmanager Alf Rouven Recksick holt sie ab. Es geht zum Impfzentrum Recklinghausen. Für die vier Hertener steht die zweite Corona-Schutzimpfung an.
Marie-Luise Schön hatte von einer Freundin von dem Angebot der AWO gehört und Recksick angerufen. Von dem Telefonat ist sie noch immer begeistert. „Er hat sich sofort fürsorglich um uns gekümmert“, erzählt die 86-Jährige. Sie hatte lange telefonisch versucht, einen Termin für sich und ihre Nachbarin, die 92-jährige Irmgard Kropisch, zu bekommen. Beide leben in Herten-Mitte, sind aber nicht mehr gut zu Fuß.
Der Weg zur Impfung ist ein großes Problem
„Wir hatten ja sonst keine Unterstützung. Wenn man alleinstehend ist, muss man zusehen, wie man durchkommt“, sagt Marie-Luise Schön. Sie ist seit 28 Jahren Witwe und hat keine Kinder. Der Weg zur Impfung war für sie daher ein großes Problem. „Ich hatte vor der ersten Spritze keine Angst“, sagt die Hertenerin. Denn sie musste sich bereits selbst Spritzen geben. Es sei aber beruhigend gewesen, dass Alf Rouven Recksick an ihrer Seite war.
Die Fahrt dauert knapp 15 Minuten. Der Transporter parkt auf einem Behinderten-Parkplatz vor dem großen weißen Zelt auf dem Konrad-Adenauer-Platz in Recklinghausen. Recksick lädt die Rollatoren aus, dann hilft er einem nach dem anderen. Viele der Senioren über 80 sind nicht mehr mobil und auf einen Rollator oder Rollstuhl angewiesen.
Gemächlich geht es auf den Zaun rund um das Zelt zu, in dessen Einlass ein Mann vom Sicherheitsdienst und der Leiter des Impfzentrums stehen. Alf Rouven Recksick grüßt sie, sagt mit einem Lächeln „Wir sind eine Gruppe“ und zieht weiter.
Zelt erinnert an Flughafen-Terminal
Der Zelt-Eingang erinnert mit den abgesperrten Bahnen an ein Terminal frühmorgens an einem Flughafen für einen wenig belegten Flug – nur mit Abstand. Vergleichbar ist auch die Geräusch-Kulisse, ein permanentes leises Stimmgewirr belebt das riesige Zelt.
An der Anmeldung reicht Marie-Luise Schön ihre Impf-Unterlagen und ihren Personalausweis an zwei junge Männer in Bundeswehr-Uniform. Sie vermerken etwas und reichen die Unterlagen zurück.
Die gab es beim ersten Besuch, sie mussten durchgelesen, ausgefüllt und unterschrieben werden. Jetzt geht es zum Arzt-Gespräch. Marie-Luise Schön und ihre Nachbarin reichen ihre Unterlagen samt Impfausweis an den Mediziner von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Die Hertenerinnen berichten von den Nebenwirkungen ihrer ersten Impfung. Sie stellen ihre Fragen und gehen dann beruhigt weiter in den Wartebereich.
20 Minuten warten, ob man die Impfung verträgt
Schon nach fünf Minuten Warten auf den weißen Plastikschalen-Stühlen geht es in eine Zeltkabine. Die Frauen überreichen der Ärztin ihre Unterlagen und den Impf-Ausweis. Sie klebt den Sticker ins gelbe Heft, setzt einen Stempel und die Unterschrift. Der linke Oberarm wird freigemacht, mit einem Tupfer desinfiziert. Die Nadel landet in der Haut. Langsam drückt die Ärztin den Impfstoff hinein, wischt die Stelle ab und klebt ein Pflaster drauf. Die Senioren ziehen sich in Ruhe wieder an, nehmen die Unterlagen und gehen weiter zum Wartebereich. 20 Minuten sitzen sie in einem Zeltschlauch, der mit durchsichtigen Teil-Zeltwänden Abteile schafft. Jetzt heißt es warten, ob jemand die Impfung nicht verträgt.
In der Zwischenzeit kümmert sich Alf Rouven Recksick um die Abmeldung, sodass alle nach 20 Minuten das Zelt wieder verlassen können. Ganz langsam und etwas wackelig auf den Beinen geht es zurück zum Fahrzeug. Genau zwei Stunden nach der Abfahrt, um 13 Uhr, stehen wieder alle in Herten-Mitte.
Endlich wieder Freunde treffen können
„Wir haben es hinter uns“, sagt Alfred Hübert. Er ist erleichtert und optimistisch. „Meine Frau und ich haben die erste Impfung gut überstanden“, sagt er in der Hoffnung, dass es auch jetzt wieder so sein wird. Er freut sich schon darauf, den Freunden endlich das neue Zuhause zu zeigen. Die 82-Jährigen sind vor einem Dreivierteljahr in den Johanniter-Wohnturm umgezogen und konnten bislang keine Freunde empfangen. Das soll sich nun ändern. Sie sehen positiv nach vorne und hoffen die Feier ihrer Diamantenen Hochzeit nachholen zu können.
Senioren sind für Angebot der AWO dankbar
Marie-Luise Schön ist dankbar: „Ich werde jetzt der Awo beitreten“, sagt sie. Das freut auch den Quartiersmanager. Alf Rouven Recksick hatte die Aktion des Quartiersprojekts – das zu 80 Prozent von der Deutschen Fernsehlotterie finanziert wird – gestartet, weil er in der Corona-Krise einen Beitrag leisten und bedürftigen Menschen im Prozess der Impfung helfen wollte.
Dabei haben ihn einige Begegnungen besonders gerührt. „Es gab Personen, die mit der Impffahrt das erste Mal seit bis zu fünf Monaten das Haus verlassen haben – aus Angst“, erzählt er. Sie hätten jede Menschenansammlung gemieden. „Es waren bedrückende Gespräche, in denen mir erzählt wurde, dass ohne diese Impfung die familiären Kontakte so reduziert wurden, dass Kinder, Enkel und Urenkel seit Monaten nicht persönlich getroffen wurden.“
Seit einigen Wochen ist der Quartiersmanager unterwegs. „Ich schätze, dass wir am Ende rund 60 Menschen bei den Impfterminen geholfen haben werden.“
Wer Fragen rund um den Ablauf am Impf-Zentrum hat, kann sich bei dem Quartiersmanager melden unter: 02366/103322.