Kommentar zur Woche Impfgegner in die Schranken weisen

Frank Bergmannshoff, Redaktionsleiter
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Die Meinungs- und die Versammlungsfreihit zählen zu den höchsten Gütern in unserer demokratischen Gesellschaft. Deshalb ertragen viele Hertenerinnen und Hertener schon seit Monaten mit einer Mischung aus Gelassenheit und Gleichgültigkeit die Auftritte der Impfgegner, zum Beispiel die stundenlangen, lautstarken Protestaktionen am Busbahnhof.

Fünftklässer bei der Einschulung belästigt

Doch die Grundrechte von Einzelnen und Gruppen finden ihre Grenzen, wo die Grundrechte der übrigen Menschen übermäßig strapaziert werden. Für manch einen war dieser Punkt schon am 18. August erreicht, als Corona-Leugner vor dem Hauptportal des Gymnasiums standen und die neuen Fünftklässler belästigten, die an diesem Tag mit ihren Eltern zur Einschulung kamen. Groß war die Aufregung bei den betroffenen Familien und im Schulkollegium. Polizei und Ordnungsamt traten auf den Plan.

Während ich persönlich damals der Meinung war, man solle den Vorfall nicht überbewerten und den Corona-Leugnern um ihre Hertener Führungsfigur Jens Schneeweiß nicht noch zusätzliche Aufmerksamkeit verschaffen, so ist aber seit dieser Woche das Maß endgültig voll.

Bei der Impfaktion an der Rosa-Parks-Schule lauerte eine Gruppe von 20 Impfgegnern schon morgens den ankommenden Schüler auf, sorgten für Verunsicherung und teilweise auch Angst. Mitglieder der Schulleitung und DRK-Mitarbeiter wurden als Mörder beschimpft. In der Schule gingen E-Mails mit verfassungsfeindlichem Inhalt ein. Ein Impfgegner besaß sogar die ungeheure Frechheit, in ein Feuerwehrfahrzeug einzudringen, aus dem heraus ehrenamtliche Helfer per Lautsprecher für die Impfaktionen warben. Die Liste der Vorfälle ließe sich noch fortsetzen.

Auf Augenhöhe mit Erwachsenen auseinandersetzen

Erst einmal: Es ist einfach nur schäbig, wie die Impfgegner mit ihren kruden Thesen Kinder und Jugendliche verunsichern. Wenn überhaupt, sollen sie sich gefälligst auf Augenhöhe mit Erwachsenen auseinandersetzen.

Unabhängig davon: Dieser zunehmenden Radikalisierung muss jetzt ein Ende gesetzt werden. Es reicht nicht, die Impfgegner des Schulgeländes zu verweisen, damit sie dann wenige Schritte hinter der Bordsteinkante weiterhin ihr Unwesen treiben – zumal die Versammlung nicht angemeldet war, was jetzt Strafanzeigen gegen einzelne Beteiligte nach sich zieht. Insbesondere um Schulen herum muss künftig eine weiter reichende „Bannmeile“ gelten.

Rückzieher bei der Baumschutzsatzung

Und dann war in dieser Woche noch der Rückzieher bei der Baumschutzsatzung. Nach zahlreichen erfolglosen Vorstößen in den vergangenen 36 Jahren sollte sie jetzt pünktlich zum 1. Oktober, wenn die Kettensägen wieder rattern dürfen, beschlossen werden. Doch auf Antrag der SPD und mit Zustimmung aller anderen Parteien wurden das Thema im letzten Moment von der Tagesordnung genommen. Begründung: Die Bürger/innen, Siedlervereine Wohnungsgesellschaften usw. müssten erst einmal informiert und „mitgenommen“ werden.

Aber warum fällt das der Politik erst jetzt ein? Warum ist die Bürgerbeteiligung nicht längst passiert? Und was, wenn es bei diesen Versammlungen ordentlich Gegenwind gibt? Knickt die Politik dann ein?

Politik muss ihrer Verantwortung gerecht werden

Meine Meinung: In einer dicht besiedelten Stadt wie Herten, in der nach und nach auch noch das allerletzte Fleckchen Grün bebaut wird, haben Bäume wortwörtlich einen schweren Stand. Sie müssen daher besser geschützt werden, und die Politik wäre gut beraten, dies jetzt zu tun und damit ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Unabhängig davon, was Grundstückbesitzer sagen.

Schönes Wochenende!

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