Kommentar zur Woche Junge Hertener nicht mit einem Bürokratie-Monster verschrecken

Frank Bergmannshoff
Frank Bergmannshoff, Redaktionsleiter "Hertener Allgemeine"
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„Kick-off“ nannte sich die Auftaktversammlung zur Gründung einer Freiwilligenagentur am Mittwoch im Glashaus. So neumodisch die Bezeichnung, so hoch war der Altersdurchschnitt der Teilnehmer. Kaum jemand jünger als 50 – was nicht verwunderlich ist. Zeit für dauerhaftes, freiwilliges Engagement besitzen überwiegend Menschen, die die Rente im Blick oder schon erreicht haben.

Müssen es vier Auftakt-Konferenzen sein?

Doch für eine lebendige Stadtgesellschaft ist es genauso wichtig, dass sich junge Leute engagieren, ihre Vorstellungen einbringen. Ein Veranstaltungsformat gibt es dafür in Herten bisher nicht – aber Bürgermeister Matthias Müller will eines auf den Weg bringen. Wie es aussehen könnte, sollen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene selbst bestimmen. Und zwar bei vier Jugendkonferenzen.

Klingt im ersten Moment prima. Doch wird hier nicht ein behäbiges, bürokratisches Monster zum Leben erweckt?

Ursprünglich wollte die Stadtverwaltung schon diese vier Konferenzen auf mehrere Monate bis ins Jahr 2023 hinein verteilen. Erst auf Druck aus dem Stadtrat wurden alle im November gebündelt. Aber müssen es gleich vier sein? Und was dann? Die Ergebnisse sollen ausgewertet und im nächsten Jahr der Politik vorgelegt werden. Die soll die Gründung eines geeigneten Formats offiziell beschließen. Bis dieses erstmals tagt, vergehen weitere Monate. Und wenn dann der Umgang mit konkreten Ideen der jungen Menschen genauso lange dauert wie heute die Bearbeitung von Anträgen im Stadtrat (Monate, oft Jahre), wird es schwierig, Teilnehmer/innen bei Laune zu halten.

Ganz plastisch: Ein 15-Jähriger, der sich einen Pumptrack zum BMX-Fahren wünscht, kann nicht darauf warten, dass seine Idee durch den üblichen politischen Apparat dümpelt, dann auf Eis liegt, bis das Land NRW der klammen Stadt Herten Fördergelder bewilligt, die nach europaweiter Ausschreibung und dreimaliger Verzögerung vier Jahre später verbaut werden – wenn überhaupt. Bis dahin ist der 15-Jährige längst 19 Jahre alt und zum Studieren nach Essen oder Münster gezogen.

Ganz andere Reaktionsgeschwindigkeit nötig

Im Klartext: Wollen Politik und Verwaltung junge Menschen und ihre Interessen ernst nehmen, müssen sie von Anfang an eine ganz andere Reaktionsgeschwindigkeit an den Tag legen als heute üblich.

Doch so weit sind wir ja noch gar nicht. Zunächst müssen viele junge Menschen erreicht und dafür begeistert werden, überhaupt an den vier Konferenzen teilzunehmen. Das allein wird eine Herausforderung. Viel Erfolg!

Und schönes Wochenende.

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