
Die Überfälle laufen fast immer nach dem gleichen Muster ab: Kurz vor Ladenschluss, wenn die Tageskasse gut gefüllt, aber kaum andere Kunden anwesend sind, betritt ein vermummter Mann mit einer Schusswaffe einen Supermarkt, bedroht die Angestellten und greift – wenn es ihm nicht schnell genug geht – dann zu einem Schraubendreher, um die Kasse aufzuhebeln. Mit dem erbeuteten Geld verlässt er den Laden, manchmal auch auf einem Fahrrad.
Die Kreispolizeibehörde in Recklinghausen, bei der die Fäden zusammenlaufen, geht mittlerweile von 54 ganz ähnlich gelagerten Taten zwischen Oktober 2019 und Januar 2025 aus, die auf das Konto eines Mannes gehen könnten. Die Fahnder der „Ermittlungskommission Ladenschluss“ haben jetzt ein Phantombild des mutmaßlichen Täters erstellt.
Konzentrierte Fahndungsmaßnahmen, der Einsatz von Zivilbeamten und Mantrailer-Hunden und Spurenauswertungen – all das hat die Ermittler allerdings bislang nicht auf die Spur des Mannes gebracht. Denn der ist bei seinen Überfällen stets gut getarnt und unauffällig gekleidet unterwegs. Immerhin: Einmal konnte der Verdächtige nach einer Tat auf der Flucht von einem Zeugen gestellt und demaskiert werden. Anhand dieser Angaben wurde die Phantomzeichnung gefertigt.

Übereinstimmend haben die jeweiligen Supermarkt-Mitarbeiter und weitere Zeugen den Mann so beschrieben: ca. 30 bis 40 Jahre alt, etwa 1,80 bis 1,85 Meter groß, schlank, „mitteleuropäisches“ Erscheinungsbild. Bei den Taten trug er stets eine schwarze Jacke, eine blaue Jeans oder eine schwarze Regenhose, eine schwarze Sturmhaube mit Sehschlitzen sowie eine Kapuze, dazu Handschuhe und dunkle Schuhe und eine Umhängetasche oder einen Rucksack, ebenfalls dunkel.
Die erste Tat, die die Ermittler dem Mann zuschreiben, datiert von Oktober 2019 in Marl, zuletzt soll er im Januar 2025 in Olfen zugeschlagen haben. Dazwischen liegen mehr als 50 weitere Fälle im gesamten Kreis Recklinghausen mit Ausnahme von Oer-Erkenschwick, Waltrop und Castrop-Rauxel. Aber auch zwölf Überfälle in Gelsenkirchen, vier in Herne und einer in Bochum sollen auf sein Konto gehen, ebenso Taten in Olfen, Borken, Reken, Hünxe, Schermbeck und Voerde. Insgesamt hat der Mann nach Angaben der Behörden so einen „hohen fünfstelligen Betrag“ erbeuten können.
Schnelle Flucht mit dem Fahrrad
Annette Achenbach, Sprecherin der Polizei in Recklinghausen, und ihre Kollegen haben angesichts der großen Distanz zwischen den einzelnen Tatorten eine Vermutung: „Offenbar ist der Mann mit einem Auto oder Transporter unterwegs, in dem er dann sein Fahrrad unterbringt, um die letzten Meter zu den Geschäften zurückzulegen.“ So könnte ihm immer die schnelle Flucht gelingen. Daher fragen die Fahnder ganz explizit, ob den Menschen in der Region in ihrem Umfeld jemand aufgefallen ist, der vorzugsweise im Dunkeln und bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad unterwegs ist oder dieses in ein Auto lädt. Auch andere Auffälligkeiten wie regelmäßige zusätzliche Geldquellen könnten ein Hinweis sein. „Vielleicht trifft das ja auf Nachbarn oder Bekannte zu“, hofft die Behördensprecherin.

Dennoch mahnt die Polizei: „Wer einen Verdacht hat, sollte am besten direkt den Notruf 110 wählen. Dieser Mann hat eine Waffe, er geht sehr professionell vor – niemand sollte sich selbst in Gefahr bringen und ihn einfach so ansprechen“, sagt Annette Achenbach. Zeugen, die Hinweise zu dem gesuchten Serienräuber geben können, werden gebeten, sich unter Tel. 0800/2361550 oder per E-Mail an RE.KK14@polizei.nrw.de bei der Polizei in Recklinghausen zu melden.
Belohnung von bis zu 4.000 Euro ausgesetzt
Zusätzlich können Hinweise (mit Fotos oder Videos) auf dem polizeilichen Hinweisportal unter https://nrw.hinweisportal.de/ hochgeladen werden. Und auch das ist nicht alltäglich, sondern zeigt die Brisanz des Falls: Für Hinweise, die zur Überführung des Täters führen, hat die Staatsanwaltschaft Essen eine Belohnung in Höhe von bis zu 4000 Euro ausgesetzt.
Im Bemühen, den Täter ausfindig zu machen, setzt die Polizei auch auf weitere mediale Unterstützung: So soll auch in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY… Ungelöst“ am Mittwoch (12.2.) um 20.15 Uhr über den Fall berichtet werden.