
Fast unscheinbar stecken sie an Grabstellen auf dem Recklinghäuser Nordfriedhof: Kleine gelbe Schilder, auf denen das Gasthaus und die Gastkirche abgebildet sind. „Das hilft uns bei der Orientierung – um die Gräber zu finden, die wir pflegen“, erklärt Schwester Franziska, die im Gasthaus lebt und arbeitet. Zusammen mit zurzeit drei ehrenamtlichen Helfern pflegt die 56-Jährige auf dem Nordfriedhof etwa 25 Gräber von verstorbenen Gästen des Gasthauses an der Gastkirche in der Recklinghäuser Innenstadt – von meist obdachlosen Menschen, die keine Angehörigen und kein Geld haben, damit sich um die Grabstelle gekümmert wird.
„Eine würdevolle Bestattung und die Grabpflege sind uns und unseren Gästen sehr wichtig. Hier zeigen wir: Wir vergessen euch nicht – auch wenn ihr gestorben seid. Unsere Begleitung endet nicht mit dem Tod. Ihr seid uns auch danach noch wichtig“, betont Schwester Franziska die Bedeutung der Friedhofsarbeit, die das Gasthaus seit vielen Jahren leistet.

Die Begräbniskultur des Gasthauses beginnt bereits mit der Bestattung. „Es handelt sich hier um Urnenbestattungen, Sozialbeerdigungen, die auf Stadtkosten durchgeführt werden, wenn kein Geld da ist. Normalerweise finden diese anonym statt“, erläutert Schwester Franziska. Das Gasthaus übernimmt hier die Beerdigung: Obdachlose, Freunde des Verstorbenen kommen zusammen, der Oer-Erkenschwicker Steinmetzbetrieb Vogt hat aus einem alten einen neuen Grabstein gemacht, Pfarrer Ludger Ernsting trägt einen Text vor, Schwester Franziska sorgt mit der Flöte für Musik. „Es ist eine schlichte Beerdigung“, sagt die Ordensfrau.
Mit dem Bollerwagen von Grab zu Grab
„Es ist gut, die Gräber zu pflegen, wenn niemand sonst da ist“, steht für Gabriele Ulrich fest. Die 67-Jährige gehört zu der „Friedhofsgruppe“ des Gasthauses. „Das ist mein Ding, das Thema Friedhof macht mir keine Angst. Ich lebe so gerne, dass ich mich gut mit diesem Stück Tod befassen kann.“ So geht sie immer wieder mit den anderen Helfern von Grab zu Grab – mit einem Bollerwagen, in dem Harken, Eimer, Gießkannen, Handschuhe liegen. Dann heißt es Unkraut zupfen, Blumen pflanzen, den Grabstein säubern, Gras abstechen – an 25 Gräbern. „Vor Corona haben uns auch einzelne Gäste des Gasthauses bei der Grabpflege geholfen, aber das ist im Moment leider etwas flau“, bedauert Schwester Franziska. „Unser Ziel ist es schon, hier wieder mehr Helfer zu motivieren.“
„Die eigenen Gedanken fließen lassen“
Für Gabriele Ulrich ist es bei ihrem ehrenamtlichen Engagement neben der Arbeit an den Gräbern auch wichtig, „dort die eigenen Gedanken fließen zu lassen.“ Hatte der Verstorbene ein gutes Leben? Wie war sein Lebenslauf? Wie wird es mir einmal ergehen? Was kommt danach? Bei der Geburt und am Ende sind wir alle gleich – ob arm oder reich. All diese Fragen und Gedanken gehen Gabriele Ulrich an den Grabstellen durch den Kopf, wie sie sagt. „Und es ist gut, darüber zu sinnieren.“
Erinnerungen werden ausgetauscht
Besinnlichkeit steht auch im Mittelpunkt des Friedhofrundgangs an Allerheiligen – ein weiteres Element der Begräbniskultur. „Hier kommen etwa 20 ehrenamtliche Helfer und Gäste zusammen, die gemeinsam zu den Gräbern gehen. Dabei werden Kerzen angezündet, Erinnerungen und Erzählungen zu den Verstorbenen ausgetauscht“, berichtet Schwester Franziska. Sie betont: „Auch dabei lebt das Gedenken an die verstorbenen Gäste des Gasthauses wieder auf.“
So können Sie spenden
- Unsere Weihnachts-Spendenaktion gilt in diesem Jahr dem Gasthaus an der Gastkirche in der Recklinghäuser Innenstadt, Hl.-Geist-Str. 7. „Nahe bei den Menschen in Not“ ist der Titel der Aktion, denn das Gasthaus unterstützt in vielfältiger Art und Weise Menschen in Krisensituationen. Das reicht vom täglichen Essensangebot für Wohnungslose und andere Menschen über Sozialberatung bis zur Trauerbegleitung und zu regelmäßigen Gesprächszeiten in der Gastkirche. Der leitende Pfarrer Ludger Ernsting bezeichnet das Gasthaus als „Anlaufstelle für alle Menschen in Not“.
- Seit dem Beginn des Advents haben wir in unserer Weihnachts-Spendenaktion einzelne Aspekte der Arbeit im Gasthaus vorgestellt – jeweils mittwochs und samstags. Der heutige Artikel zur Begräbniskultur ist der letzte Teil dieser Serie. Unsere Weihnachts-Spendenaktion läuft aber noch, Sie können sich gerne weiterhin beteiligen und mit einer Spende die Arbeit des Gasthauses unterstützen. Am kommenden Mittwoch, 4. Januar 2023, veröffentlichen wir dann die Bilanz und das Endergebnis der Spendenaktion.
- Und so können Sie das Gasthaus in Recklinghausen mit einer Spende unterstützen:
– Spendenkonto:
Volksbank Marl/RE
IBAN: DE69 4266 1008 5102 8329 03
-Empfänger:
Gasthaus Recklinghausen
-Verwendungszweck:
„Spende Bauer“
– Spendenquittung:
Gerne wird Ihnen auf Wunsch eine Spendenquittung ausgestellt. Geben Sie dazu bitte Ihre vollständige Adresse unter Verwendungszweck an. - Bisher gespendet: 62.229,40 Euro