
Häufig, allzu häufig, schmerzt der Gang zur Toilette. Nämlich immer dann, wenn Enddarmerkrankungen vorliegen. Doch gesprochen wird selten darüber. Das wollten die Experten des Klinikum Vest mit der jüngsten Telefonaktion des Medienhauses Bauer ändern. Sollte ich auch mit Hämorrhoiden, gelegentlicher Stuhlinkontinenz oder Beckenbodensenkung direkt zum Arzt? Könnte es auch Krebs sein? Fragen wie diese beantworteten Gastroenterologe und Proktologe Dr. Matthias Ross sowie Prof. Dr. Martin Büsing, Chefarzt der Allgemein-, Viszera- und Adipositaschirurgie am Standort Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen, kompetent und sensibel. Ein Überblick über die verschiedenen Erkrankungen sowie mögliche Therapieoptionen:
Eitrige Entzündungen am After
Analabszesse sind eitrige Entzündungen um den After. Sie liegen häufig dicht unter der Haut. Dann ist eine entzündliche Schwellung neben dem After tast- und sichtbar, die sehr schmerzhaft ist. Aufgrund dessen ist eine schnelle Behandlung erforderlich – in der Regel per chirurgischem Eingriff. Unter Betäubung wird je nach Lage der gesamte Abszess entfernt oder nur eröffnet. Oft werden die Abszesse durch sogenannte Fisteln verursacht und aufrechterhalten.
Fisteln, Abzesse und Fissuren
Bei Fisteln handelt es sich um kleine Gänge, die nur an der Haut und am Fettgewebe um den After herum auftreten, aber auch bis in den Enddarm reichen können. Durch sie gelangen immer wieder Keime aus dem Darm ins Unterhautfettgewebe. Im Gegensatz zum Abzess besteht die Infektion hier chronisch – doch auch hier gibt es vielfältige Möglichkeiten zur operativen Behandlung.
Eine Fissur ist ein Schleimhauteinriss am After. Diese Enddarmerkrankung ist oft eine Folge von hartem Stuhl und führt zu starken Schmerzen und Blutabgängen beim Stuhlgang. Heilt eine akute Fissur nicht richtig aus, kann sie chronisch werden und zu dauerhaften Beschwerden führen. Ein akuter Afterriss lässt sich meist konservativ mittels konsequenter Regulierung des Stuhlganges (Behandlung von Verstopfung), Schmerzmitteln und Lokaltherapie zur Verminderung des Schließmuskeldruckes behandeln. Bei anhaltenden Fissuren wird teilweise ein chirurgischer Eingriff notwendig.
Unwillkürlicher Wind- und Stuhlabgang
„Darmentleerungsstörungen können ebenfalls vielfältige Ausprägungen haben und sind damit ein sehr komplexes Thema. Am häufigsten kommen die Verstopfung sowie die Stuhlinkontinenz mit unwillkürlichem Wind- oder Stuhlabgang vor. Patienten mit Stuhlinkontinenz können den Stuhl nicht halten oder den Darm trotz Stuhldrangs nicht komplett entleeren. Häufig wird die Entleerungsstörung durch eine Beckenbodenschwäche oder Schwäche des Schließmuskels hervorgerufen. Diese kann wiederum die Folge von Geburten oder Operationen sein oder aber altersbedingte Gründe haben. Die Therapie richtet sich in erster Linie nach dem Schweregrad der Beschwerden.
Am Anfang wird durch eine Anpassung von Ernährung und Lebensstil versucht, die Beschwerden zu behandeln. Je nach Verträglichkeit lässt sich mit Medikamenten teilweise der Rhythmus der Stuhlentleerung besser steuern. Unterstützend wird Krankengymnastik, Beckenbodengymnastik, Biofeedback und elektronische Muskelstimulation zur Stärkung des Beckenbodens empfohlen. Bei neurologischen und strukturellen Ursachen kann eine minimal-invasive sakrale Nervenstimulation die Muskeln anregen und dabei helfen, die benötigte Muskelkraft aufzubauen. Bringt all dies keinen Erfolg, kommt auch hier eine Operation in Frage. Als eine Möglichkeit kann mit Hilfe eines speziellen Klammernahtgeräts durch den After hindurch der Enddarm verkürzt werden, um die Stuhlentleerung wieder zu regulieren.
Chronische Verstopfung verursacht starke Schmerzen
In genau die andere Richtung geht die Problematik bei der chronischen Verstopfung (Obstipation), ebenfalls häufig begleitet von starken Schmerzen. Auch hier werden zunächst Medikamente wie Stuhlregulanzien und Einläufe eingesetzt. Grundlage, auch zur Vorbeugung, ist immer eine ballaststoffreiche Ernährung mit viel Gemüse, Obst und Vollkornprodukten sowie weniger rotem Fleisch. Zudem spielt die körperliche Bewegung eine zentrale Rolle bei Obstipationsbeschwerden.
Salben und Sitzbäder gegen Hämorrhoiden
Hämorrhoiden lassen sich kurzfristig mit Salben oder Zäpfchen und Sitzbädern gut behandeln. Langfristig können mäßig vergrößerte Hämorrhoiden verödet oder mit einer Gummibandligatur behandelt werden. Bei dieser einfachen Methode streift der Arzt einen kleinen Gummiring über das geschwollene Hämorrhoiden-Gewebe. Das überschüssige Gewebe wird nicht mehr durchblutet und stirbt ab. Nach wenigen Tagen fällt es – zusammen mit dem Gummiring – einfach ab. Stark vergrößerte oder vorfallende Hämorrhoiden müssen dagegen operativ versorgt werden. Moderne und schonende Operationstechniken und eine begleitende Schmerztherapie haben der Operation dabei mittlerweile ihren Schrecken genommen. Auch ein längerer Aufenthalt in der Klinik ist nicht mehr notwendig.
Verschiedene Möglichkeiten der Diagnose
Für die Diagnose aller Endarmerkrankungen führt der Facharzt nach dem Patientengespräch verschiedene Untersuchungen durch – möglich sind unter anderem eine Tastuntersuchung, eine Enddarmspiegelung, eine Ultraschalluntersuchung der Bauchorgane (Abdomensonographie, eventuell Ultraschall „von innen“ als Endosonographie) und eine Schließmuskelfunktionsmessung. Dazu können Gewebeentnahmen sowie weitere bildgebende Verfahren wie Computer (CT)- und Magnetresonanztomographie (MRT) kommen – gerade zur Abklärung organisch bedingter Darmentleerungsstörungen.
Zur Abklärung der Beschwerden sind in vielen Fällen endoskopische Untersuchungen notwendig. Bei der Enddarmspiegelung (Prokto- und Rektoskopie) blickt der untersuchende Proktologe/ Darmspezialist in den Enddarm. Mit einem Proktoskop lassen sich die unteren fünf Zentimeter des Enddarms beurteilen. Es wird zur Untersuchung von Hämorrhoiden, Fisteln und Fissuren benutzt. Mit einem Rektoskop lässt sich der Enddarm auf seiner gesamten Länge untersuchen. Wenn Darmblutungen auftreten ist eine Dickdarmspiegelung (Koloskopie) indiziert, um einen Tumor sicher ausschließen zu können. Im Rahmen dieser Diagnostik können auch Polypen abgetragen und Gewebeproben entnommen werden, etwa bei chronischem Durchfall.
Es muss nicht immer eine OP sein
Operation – ja oder nein? Nicht immer muss es der operative Eingriff sein, oft können auch schon völlig unspezifische Symptome den Alltag erschweren. Etwa der anale Juckreiz ist keine Krankheit an sich, sondern eventuell eine Ausprägung unterschiedlichster Erkrankungen. Dazu gehören Infektionen, oberflächliche Hautreizungen (Analekzeme), Allergien, eine Unmenge hautärztlicher Erkrankungen und vieles mehr. Die konservative Therapie beinhaltet unter anderem das Weglassen von Hygieneartikeln und die Umstellung auf allergenfreie Produkte. Zudem können verschiedene Salben und Cremes den Juckreiz minimieren oder sogar die Grunderkrankung ausheilen lassen. Als Ergänzung können auch hier weitere Medikamente zum Einsatz kommen. Die Experten des Klinikum Vest empfehlen bei Unsicherheiten und schon länger andauernden Beschwerden in jedem Fall den Besuch beim Facharzt.