Amtsgericht Recklinghausen Nach Besetzung von Datteln 4: „Foto-Shooting“ im Gericht

Am 2. Februar 2020 hatten Aktivisten den Förderbagger auf dem Gelände des Steinkohlekraftwerks Datteln 4 besetzt. © picture alliance/dpa
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Mehr als ein Jahr nach der vorübergehenden Besetzung des Kohlekraftwerks Datteln 4 musste sich ein Umweltaktivist aus Weimar am Mittwoch wegen Hausfriedensbruch vor Gericht verantworten. Dabei kam es zu einem ungewöhnlichen Foto-Shooting.

Die Richterin hatte für die Verhandlung extra einen Rechtsmediziner hinzugezogen, der mit Kamera und Laptop angereist war. Mit seiner Hilfe sollte überprüft werden, ob der Angeklagte bei der Aktion vom 2. Februar 2020 mit dabei war – was er bestreitet.

Förderband besetzt

Die Polizei war damals im Großeinsatz. Selbst Einsatzkräfte im Bereitschaftsdienst mussten alles stehen und liegen lassen, um die Kollegen in Datteln zu unterstützen. Am Kraftwerk bot sich den Beamten ein unübersichtliches Bild. Ein Förderband war besetzt, viele Demonstranten hatten sich die Gesichter mit Farbe bemalt, andere hatten sich die Fingerkuppen aneinandergeklebt, um ihre Personalienfeststellung zu erschweren.

Darunter soll sich auch der Angeklagte befunden haben, Presseprecher der Organisation „extinction rebellion“, die nach eigenen Angaben mit friedlichem Ungehorsam auf den drohenden Klimakollaps aufmerksam machen will. Eines der Fotos, die damals bei der Räumung des Kraftwerkgeländes in Nahaufnahme gemacht wurden, soll den Studenten zeigen.

„Ohren sind deckungsgleich“

Im Prozess musste sich der 36-Jährige nun einem zweiten „Foto-Termin“ unterziehen. Der Rechtsmediziner wies ihn an, den Kopf genauso zu halten, wie auf dem Ursprungsfoto, dann drückte er auf den Auslöser seiner Kamera. Das Bild wurde anschließend in seinen Laptop geladen und mit dem anderen verglichen.

Dabei ging der Gutachter ins Detail. Haaransatz, Stirn, Nase, Augen, Mund: Alles wurde genau analysiert. Spätestens bei den Ohren legte sich der Sachverständige schließlich fest: „Die sind deckungsgleich.“ Insgesamt liege die Ähnlichkeit der beiden Bilder im oberen Bereich.

Polizei soll Zeugen aus Berlin bringen

Für die Staatsanwaltschaft war damit eigentlich schon klar, dass der Angeklagte entgegen seiner Unschuldsbeteuerungen doch vor Ort gewesen ist. Zu einem Geständnis war der 36-Jährige jedoch nicht bereit. Es mache doch gar keinen Sinn, dass ich mich gegen eine Verurteilung wehre, wenn ich tatsächlich dagewesen wäre“, ließ er die Richterin wissen. „Das ist doch Teil unseres Aktionismus.“

Im Vorfeld des Prozesses hatte er sogar einen Alibi-Zeugen benannt, der bekunden könne, dass er am 2. Februar 2020 in Berlin – und eben nicht in Datteln – gewesen ist. Genau dieser Zeuge war zum Prozess jedoch unentschuldigt nicht erschienen. Zum Fortsetzungstermin soll ihn die Polizei nun von Berlin nach Recklinghausen bringen.

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