
Horst Kornetka (78) zeigt noch keine Abrieberscheinungen. Neben fachlichen Anmerkungen hält er drei junge Männer mit markig-lustigen Sprüchen auf Trab. Der Obermeister ist für das Ausbildungszentrum der Innung Rhein-Ruhr an der Maria-von-Linden-Straße zuständig. Das eröffnete im März dieses Jahres im Gewerbepark Ortloh in Berghausen seine Pforten – und richtet sich an das Vulkaniseur- und Reifenmechanikerhandwerk. In ganz Deutschland wohlgemerkt, eine Einrichtung wie die in Recklinghausen gibt es laut Kornetka bundesweit nur noch einmal – in Ostdeutschland.

„Du musst die Rippen weghauen, die darf ich nicht mehr sehen“, erklärt der 78-Jährige einem der drei jungen Männer, die allesamt an Reifen hantieren. Nick Inkmann ist 23 Jahre alt, seinem Vater gehört ein Reifenhandel in Münster: „Vor Kurzem habe ich meinen Kfz-Meister gemacht. Jetzt noch die Zusatzbefähigung 7a – dann können wir vernünftig arbeiten.“
7a, das ist ein Paragraf in der Handwerksordnung. Nur Kfz-Meister mit dieser Zusatzzulassung dürfen Reifen für Autos und Lkw reparieren. Es gebe durchaus Hinterhof-Werkstätten, so Kornetka, die das ohne diese Zulassung machen. Werde ein solcher Betrieb der Innung bekannt, erfolge eine Meldung an die Handwerkskammer und das Ordnungsamt. Eine erste Mahnung, so der Duisburger, koste 700 Euro, im Extremfall würden bis zu 20.000 Euro fällig.
Bei einem 300-Euro-Reifen macht eine Reparatur durchaus Sinn
Kornetka zeigt auf einen großen Autoreifen am Boden der Werkstatt: „Ein einzelner davon kostet 300 Euro. Den kann ich doch nicht wegschmeißen, nur weil ein Nagel drin ist.“ Um so einen Schaden zu simulieren, jagen die drei Männer – neben Nick Inkmann sind das Michael Ewert aus Salzhemmendorf südlich von Hannover und Daniel Simon aus Erfurt – einen Bohrer durch ausgediente Pneus.
Und dann geht es ans Vulkanisieren. Dabei wird die beschädigte Stelle zunächst gereinigt und aufgeraut. Anschließend wird Gummi über das Loch gelegt und erhitzt. Und unter Umständen muss das Profil dann noch nachgearbeitet werden.

Das neue Zentrum bietet laut Innung für das Vulkaniseur- und Reifenmechanik-Handwerk Rhein-Ruhr als zentrale Ausbildungsstätte für NRW optimale Bedingungen für überbetriebliche Lehrgänge, Zwischen- und Gesellenprüfungen sowie die Vorbereitung auf die Meisterprüfung. Ergänzt wird das Angebot – neben den Schulungen zur Sachkundeprüfung nach § 7a der Handwerksordnung – durch eine Vielzahl an Fachlehrgängen, wie etwa zum Klimaschein, Hochvolt-Systemen sowie zur Heißreparatur für Pkw und Lkw.
Kornetka, seit 33 Jahren Obermeister bei der Innung, denkt mit seinen 78 Jahren gar nicht daran, aufzuhören: „Es macht mir immer noch sehr großen Spaß. Wenn ich eines Tages mitbekommen sollte, wie die jungen Leute hinter meinem Rücken sagen ,Was will der Alte?‘ – dann höre ich auf.“
