
Es sind irritierende Schilderungen, die die Redaktion aus der Leserschaft erreichen. Die Vorwürfe lauten, dass im Impfzentrum in Recklinghausen mit zweierlei Maß gemessen werde.
Es geht um impfwillige Bürger aus der Priorisierungsgruppe 3. Vor gut einer Woche war für Teile dieser Gruppe vom Land der Weg zur Immunisierung in den Impfzentren freigemacht worden; zum Beispiel für Beschäftigte von Lebensmittelgeschäften und Drogerien, für Mitarbeiter der Justiz oder für Lehrer weiterführender Schulen. Noch nicht an der Reihe – obwohl zur Priogruppe 3 gehörend – sind unter anderem Busfahrer. Das ist in der letzten Woche vom Landrat des Kreises Recklinghausen, Bodo Klimpel (CDU), in einem Schreiben an das Land scharf kritisiert worden.
„Dem Türsteher hat wohl dein Gesicht nicht gefallen“
Eine Busfahrerin der Vestischen hat sich dennoch über das Terminportal der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) einen Impftermin besorgt. Ausgestattet mit einer Bescheinigung des Arbeitgebers, sprach sie beim Impfzentrum in Recklinghausen vor – und wurde abgewiesen. Aufgrund der aktuellen Erlasslage war das ein korrektes Vorgehen des Impfzentrum-Personals.
Was die Betroffene jedoch zutiefst ärgert, ist, dass andere Busfahrer-Kollegen sehr wohl zum Impfen eingelassen worden seien, wie sie berichtet. Im Betrieb habe sie sich deshalb Frotzeleien wie „Dem Türsteher hat wohl dein Gesicht nicht gefallen“ anhören müssen, schildert die Frau.
Wir haben bei der Vestischen nachgefragt. Pressesprecher Christoph van Bürk sagt, ihm seien solche Ungleichbehandlungen nicht bekannt. Möglicherweise seien Mitglieder des Fahrpersonals aufgrund anderer Priorisierungsmerkmale geimpft worden; etwa als pflegende Angehörige oder als chronisch Vorerkrankte. Das hält auch die Pressestelle der Kreisverwaltung Recklinghausen auf Anfrage für eine denkbare Erklärung. Die Busfahrerin schließt das nach den Gesprächen mit ihren Kollegen allerdings aus.
Arbeitskollegin soll ohne Einwände geimpft worden sein
Unabhängig von diesem Fall hat sich eine Leserin aus Waltrop an die Redaktion gewandt. Die 51-Jährige arbeitet in einem Versicherungsbüro und sagt, sie habe täglich eine Vielzahl persönlicher Kundenkontakte. Auch sie hat sich eine Arbeitgeberbescheinigung ausstellen lassen, sich einen Termin für das Impfzentrum Recklinghausen besorgt – und wurde abgewiesen. Eine Arbeitskollegin sei jedoch einen Tag später unter den gleichen Voraussetzungen ohne jegliche Einwände geimpft worden, berichtet die Frau. Andere Priorisierungsmerkmale hätten bei der Kollegin definitiv nicht vorgelegen, versichert sie.
Wer sich für einen Impftermin anmeldet, obwohl er nicht zum berechtigten Personenkreis gehört, könne zum vereinbarten Termin nicht geimpft werden, heißt es unmissverständlich auf der Homepage der Kreisverwaltung. Pressesprecherin Svenja Küchmeister weist den Verdacht zurück, am Impfzentrum werde willkürlich gegen diesen Grundsatz verstoßen. „Aber Fehler können natürlich passieren“, räumt sie ein.
Arztpraxen können allen Personen aus Prio 3 ein Angebot machen
Wer im Impfzentrum noch nicht an der Reihe ist, hat möglicherweise bei seinem Hausarzt mehr Glück. Denn Arztpraxen können mittlerweile allen Personen, die zur Priogruppe 3 gehören, ein Impfangebot machen. Das hat das NRW-Gesundheitsministerium in der letzten Woche so entschieden. Doch auch in den Arztpraxen ist der Impfstoff immer noch ein knappes Gut.