
Eine Neonröhre flackert an der Bühnenrückwand, dann zwei und irgendwann ganz viele an allen drei Bühnenwänden – eher Unheil statt Harmonie verkündend. So startete der Tanzabend „Il Cimento dell’Armonia e dell’Inventione“ (Das Wagnis von Harmonie und Erfindung) von Anne Teresa De Keersmaeker und ihrem Ex-Schüler Radouan Mriziga am Freitag bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen. Unter diesem Titel hatte Antonio Vivaldi 1775 eine Sammlung von Konzerten veröffentlicht, zu der auch die vier Violinkonzerte „Die vier Jahreszeiten“ gehören.
Ein Solo in Stille
Doch erst mal gibt es ein Solo in Stille. Erst im zweiten Teil des Abends erklingt die komplette Programmmusik – gespielt von Geigerin Amandine Beyer und ihrem Ensemble Gli Incogniti auf historischen Instrumenten.

Harmonisch – wie in Vivaldis Barockmusik – geht es in dieser Kreation, die mit dem „Herbst“ beginnt, nur selten zu. Die vier Tänzer in Sportklamotten wirbeln sich drehend oft mit ausgebreiteten oder schwingenden Armen in geometrischen Formen über die Bühne. Oder sie laufen einfach synchron vor- und rückwärts in Achten. Mal pfeifen sie Motive aus der Programmmusik, mal stampfen die vier Männer sie in den Boden. Zwei Tänzer machen daraus eine Stepptanz-Nummer – und ernten Applaus. Ebenso der Breakdancer, der wie ein Störfaktor wirkt, für seine virtuosen Kunststücke.
Aber die beiden Choreografen setzen nicht nur auf Abstraktion. Die Tänzer laufen Schlittschuh, gehen auf die Jagd, bellen wie Hunde, zwitschern wie Vögel und führen eine Art Bauerntanz auf, schlagen imaginierte Mücken tot, stolpern und fallen.