
Das Hypothekendarlehen gibt es für unter ein Prozent. Vollfinanzierung? Kein Problem, sagt die Bank. „Wenn jetzt nicht, wann dann“, heißt deshalb die Devise bei vielen jungen Familien, die den Traum von eigenen Heim verwirklichen wollen. Nicht umsonst ist auch in Marl der Immobilienmarkt leer gefegt. Grundstücke sind schwer zu bekommen, die Bauwirtschaft boomt. Und doch haben Corona und die Globalisierung dafür gesorgt, das Bauwillige und Bauunternehmungen nicht ohne weiteres zusammenkommen. Denn ein wichtiger Faktor ist für beide Seiten ins Wanken geraten: die Planungssicherheit bei Preisen und Terminen.
Auch auf dem deutschen Markt haben die Preise für wichtige Baumaterialien angezogen, sind geradezu explodiert. Das gilt etwa für Holz, Dämmstoffe oder auch Stahl. Der Marler Bauunternehmer Karl Fromme rechnet vor: „Allein die Preise für Bewehrungsstahl haben sich im letzten halben Jahr im Einkauf mehr als verdoppelt.“ Bewehrungsstahl wird zur Verstärkung von Stahlbetonbauteilen eingesetzt.
Für Bewehrungsstahl verlangen die Hersteller Tagespreise
Die Frage ist: Wer trägt bei diesen Preisschwankungen das finanzielle Risiko?
Ein privater Bauherr braucht Sicherheit. Er muss wissen, was das Einfamilienhaus kosten wird, das er bauen will. Auf ein konkretes, vom Architekt auf Heller und Pfennig berechnetes Angebot hin geht er zu Bank und steckt dort den Kreditrahmen ab. Doch genau das funktioniert im Augenblick nicht.
„Mein Angebot an einen privaten Auftraggeber beinhaltet jetzt eine Materialpreisgleitklausel“, sagt Fromme. Vereinfacht heißt das. Der Bauherr muss für einen Rohbau am Ende den Preis bezahlen, der sich u. a. aus den tatsächlichen Beschaffungskosten der Bauunternehmungen etwa für Bewehrungsstahl ergibt, denn: „Der Hersteller, von dem ich das Material beziehe, lässt sich nicht wochenlang im Vorfeld auf Preise festnageln, es gelten Tagespreise“, sagt Fromme. Schließlich bleibt dem Bauherrn oft nichts anderes übrig, als bei der Bank den Kreditrahmen auszuweiten.
„Mir macht das Bauchschmerzen“, gibt Fromme zu: „Nicht jede Firma wird das Risiko der Preisschwankungen auffangen können.“ Es geht ihm aber auch und vor allem um die privaten Kunden, die seit vielen Jahren von ihm Verlässlichkeit gewohnt sind: klare Absprachen für Baubeginn und Fertigstellung der Immobilie. Doch das ist zurzeit kaum möglich. Viele für den Rohbau unverzichtbare Materialien sind nicht nur teuer, sondern auch schwer zu bekommen. Die USA und China haben den Weltmarkt abgeräumt, die Pandemie hat Lieferketten unterbrochen und für Personalengpässe gesorgt. Bei Holz, auch bei Dämmstoffen gibt es lange Lieferzeiten.
An den Baustellen steigt das Diebstahlrisiko
Fromme versucht, im Interesse seiner Kunden durch gezielte Vorratshaltung gegenzusteuern. Tatsächlich sind Baumaterialien inzwischen so knapp, dass immer mehr Baustellen von Dieben heimgesucht werden. „Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, läuft Gefahr, gestohlen zu werden“, beklagt Fromme: „Sogar Stromkabel – wegen des Kupferanteils.“
Fromme verspricht seinen Kunden: „Wir versuchen zu helfen, wo wir können und vorausschauend zu organisieren. So können wir flexibel agieren.“ Aktuell unterhält Fromme acht große Baustellen in Marl, darunter das Timberjacks an der Herzlia-Allee, das Klara Hospiz, drei Kindergärten und eine Eigentumswohnungsanlage mit knapp 40 Wohnungen im Stadtkern Hüls.
Karl Fromme weiß: Mit Bevorratung lassen sich einige Lieferengpässe ausgleichen, aber nicht alle. Ein Bauherr muss damit rechnen, dass die Fertigstellung seines Hauses sich verzögern kann. Fromme sichert Transparenz zu: „Ich kann nicht zaubern, aber ich werde in der jetzigen, angespannten Situation meinen privaten Kunden die Einkaufspreise offenlegen. Das ist eine Frage der Fairness und des Vertrauens.“