
Mit großer Mehrheit hat der Marler Stadtrat jetzt ein 50 Seiten starkes Landeinfrastrukturkonzept verabschiedet. Demnach sollen an 13 ausgewählten Punkten im Stadtgebiet jeweils zwei öffentlich zugängliche 22kW-Ladesäulen mit vier Ladepunkten und vier Stellplätzen für Elektrofahrzeuge entstehen. Für Gerd Hoschek und Sven Linke vom Marler E-Mobil-Stammtisch wäre das bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. „Marl hinkt beim Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur weit hinter seinen Nachbarstädten hinterher“, ist Sven Linke überzeugt.
Das Problem: Die Umsetzung des Konzepts steht unter Finanzierungsvorbehalt und die Stadt ist zudem auf private Betreiber angewiesen. Ob die Ladesäulen jemals aufgestellt werden, ist ungewiss. Gerd Hoschek fordert die Stadt deshalb auf, eigenständig zu handeln: „Es reicht nicht, nur die Stromnetze zu betreiben, Marl sollte den Mut haben, auch das Endkundengeschäft zu übernehmen.“
Der 65-jährige Sinsener, der zuletzt bei der Bundesnetzagentur gearbeitet hatte, ist überzeugt: „Die Stadtwerke in Haltern und Herten sind Erfolgsmodelle, dort kommt der Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur deutlich schneller voran“. Sven Linke ergänzt: „Die Stadtwerke Herten betreiben Ladesäulen, sie führen Umfragen zum Ladebedarf durch, es gibt ein Kunden-Feedback, das ist eine viel effektivere Herangehensweise als in Marl.“ Die öffentlichen Ladesäulen, die es in Marl gibt, werden meist von den Stadtwerken Herten betrieben.

Die beiden Aktiven des Marler E-Mobil-Stammtisches setzen konsequent auf erneuerbare Energien. So fährt Gerd Hoschek einen Kleinwagen mit Elektroantrieb, die Solaranlage auf dem Dach seines Hauses liefert den Strom, der in einem großen Akku im Keller zwischengespeichert wird, die Wallbox lädt den Wagen auf, eine Wärmepumpe hat die Gasheizung ersetzt.
Für Hausbesitzer ist E-Mobilität leicht organisierbar
„Für Eigenheimbesitzer ist E-Mobilität leicht realisierbar“, so Hoschek: „Etwa 95 Prozent der E-Fahrer in Marl haben Eigentum, die Stadt muss deshalb beim Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur viel mehr auf die Bedürfnisse von Mietern eingehen“, ist der Sinsener überzeugt. Und auch da zeigt das Konzept der Stadt Schwächen.
Die meisten der 13 im Marler Ladeinfrastrukturkonzept ausgewiesenen Standorten liegen an Schulen, Sportstätten, eine am Theater Marl. „Was mache ich denn, wenn ich weder Lehrer noch im Sportverein bin und auch nicht regelmäßig das Theater besuche?“, fragt Sven Linke: „Städtische Ladesäulen gehören mitten in Wohngebiete mit Mehrfamilienhäusern, dorthin, wo die Menschen meistens keine eigene Wallbox realisieren können.“

Ein weiteres Problem: die öffentliche Zugänglichkeit: „Der für die Ladesäulen vorgesehene Parkplatz am Gymnasium im Loekamp etwa darf nur von Lehrern genutzt werden“, klagt Gerd Hoschek: „Zumindest an Nachmittagen müsste dort dann jeder parken und laden können.“
Für Bahnpendler sind vier erlaubte Stunden Ladezeit zu wenig
Auch die geplanten Standorte an den beiden Pendlerparkplätzen am Bahnhof Sinsen sehen Gerd Hoschenk und Sven Linke kritisch: „Private Ladesäulenbetreiber begrenzen die Ladezeit aus Gründen der Wirtschaftlichkeit auf vier Stunden, danach wird eine Blockiergebühr von bis zu 12 Euro fällig“, so Hoschek: „Für einen Bahnpendler, der morgens zur Arbeit fährt und abends wieder in Sinsen ankommt, ist das kein attraktives Angebot.“
Grundsätzlich sehen die Beiden auch Positives in der Studie, die dem Ladensäulenkonzept zugrunde liegt: „Hier wird endlich einmal der tatsächliche Bedarf für Marl dokumentiert und der Mangel wird sichtbar“, so Gerd Hoschek. Auch Sven Linke lobt den Ausbau von privaten Schnellladestationen, etwa auf Supermarktparkplätzen. Beide pochen aber darauf, dass der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur viel stärker Mieter in den Fokus nimmt. Gerd Hoschek: „Bei der Energiewende müssen wir eine Zweiklassengesellschaft unbedingt vermeiden. Dahinter steckt eine soziale Frage, auch und gerade in Marl.“
Wer Fragen zum Thema E-Mobilität hat, kann sich gerne an den Stammtisch wenden, am besten per Mail an emob-marl@gmx.de.