
Die Propst-Niehues-Straße mitten in Alt-Marl hält die Erinnerung an einen Pastor von St. Georg wach, den man vermutlich als letzten „Dorfpfarrer“ bezeichnen könnte. Viele Marler, die den vor 60 Jahren verstorbenen Geistlichen noch persönlich kannten, dürfte es nicht mehr geben. Bei der Enthüllung der neuen Legendenschilder berichtete eine Anwohnerin jetzt aber aus eigener Erfahrung über Pfarrer Hubert Niehues (1890-1964).

20 Jahre lang Pfarrer in Alt-Marl
Über den Namensgeber der Straße weiß Historiker Matthias Pothmann: „Hubert Niehues war 20 Jahre lang Pfarrer der Gemeinde St. Georg. Als er dieses Amt 1943 antrat, steckte das Land mitten im Zweiten Weltkrieg.“ Niehues führte die Gemeinde durch dunkle Zeiten und musste miterleben, wie seine Kirche gegen Kriegsende schwer beschädigt wurde. Pothmann: „Fenster waren zerborsten, das Gewölbe hatte Risse, das Dach war teilweise zerstört.“ Wie alle Menschen zu jener Zeit musste nach 1945 auch Hubert Niehues von Neuem beginnen.
Zwei Dinge trieben Pfarrer Niehues besonders an. Das war zum einen der Wiederaufbau der Kirche. Das Gebäude war schon vor dem Krieg in keinem besonders guten Zustand. Denn: Gemeinde und Stadt waren arm. Niehues setzte sich hartnäckig für die schnelle Beseitigung der Kriegsschäden ein und fand reichlich Unterstützung, weil Kirche in den 50er-Jahren noch eine größere Bedeutung hatte, als heute. Drei neue Glocken wurden eingeweiht, Fenster und Treppe zur Orgel erneuert. Unter Niehues‘ Leitung wurden auch das Schwesternheim und der Kindergarten neu gebaut.
Kirche und Krankenhaus
Neben der Kirche hatte Hubert Niehues die medizinische Versorgung der Marler im Visier. Matthias Pothmann erklärt: „Abgesehen von den Baracken in Drewer gab es keine moderne medizinische Versorgung. Erst 1955 hatte Marl mit der städtischen Paracelsus-Klinik eine moderne Klinik. Ein konfessionsgebundenes Krankenhaus, für das es bereits seit Jahrzehnten Pläne gab, war jedoch noch immer nicht umgesetzt worden.“

Pfarrer Niehues griff eine Idee auf, an der sein Vorgänger Pfarrer Kaspar Grove bereits in den 20er-Jahren scheiterte. Niehues warb um Unterstützer und Spender und hatte Erfolg. 1957 nahm Hubert Niehues an der Grundsteinlegung teil. Im Oktober 1961 wurde das Marien-Hospital eingeweiht, noch bevor Niehues 1963 sein Amt aufgab und 1964 starb. In Anerkennung um seine Verdienste wurde er zum Propst ernannt. 1971 folgte die Würdigung in Form der Benennung einer Straße mit seinem Namen.
Erinnerung an die Schulzeit
Bei der Enthüllung des Legendenschildes präsentierte Anwohnerin Ruth Grand-Rajewicz einen Auszug aus der Kirchenzeitung von 1984. Den Namensgeber kannte sie noch persönlich: „Ich hatte ihn nämlich an der Overbergschule als Religionslehrer. Er war ein ganz nahbarer Mensch, der zu Kommunionen oder Weihnachten sehr viele Familien persönlich zu Hause besuchte. Niehues war äußerst tatkräftig und geschickt. Besonders wenn es um Spendengelder für die Gemeinde ging, wusste er genau, wo man klingeln und etwas erwarten konnte. Dieser Zeitungsausschnitt über unseren Pfarrer hängt bei mir zu Hause“, sagt Ruth Grand-Rajewicz.
Matthias Pothmann ergänzt: „Er war ein Kümmerer seiner Gemeinde. So gesehen war er vielleicht der letzte ‚Dorfpfarrer‘, den Marl hatte.“ Bei der Enthüllung mit dabei war auch Uta Heinrich. Die Vorsitzende der Marler Bürgerstiftung merkte an: „Passenderweise liegt seine Straße genau in der Luftlinie zwischen St. Georg und dem Marien-Hospital. Jenen Stätten, an denen er viel für die Marler und die Stadt bewirkte. Was für ein passender Ort der Erinnerung.“