
Es sind erschreckende Zahlen, die Bürgermeister Werner Arndt und Kämmerer Daniel Greb jetzt bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs für 2025 in den Marler Stadtrat präsentieren mussten. Dabei ist der Jahresfehlbetrag von 62 Millionen Euro vergleichsweise harmlos. Wirklich heftig ist der Blick in die Zukunft, den der Kämmerer mit seiner Zehnjahres-Modellrechnung gewährt. Seine Prognose: Bis zum Jahr 2035 wird die Gesamtverschuldung der Stadt auf 1,4 Milliarden Euro steigen. Steuert Marl mit Volldampf auf die Pleite zu? Droht am Ende die Zahlungsunfähigkeit?
1,4 Milliarden Euro, damit trüge jeder der 84.000 Einwohner Marls eine Schuldenlast von 16.667 Euro nur für Stadt mit sich herum. Allein die jährliche Zinslast für die Stadt liegt dann bei 47 Millionen Euro. Bürgermeister Werner Arndt macht vor den Ratsmitgliedern klar, dass die Stadt sich nicht an den eigenen Haaren aus dem Schuldensumpf ziehen kann: „Ich müsste die Gewerbesteuer und die Grundsteuer verdoppeln, um einen Haushaltsausgleich erzielen zu können, das ist rechtlich schwierig und hätte eine erdrosselnde Wirkung auf die lokale Wirtschaft.“
Die angedachte, noch keineswegs beschlossene Altschuldenlösung des Landes NRW brächte dem städtischen Haushalt nur zwei Millionen Euro pro Jahr. Das wäre der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. „Ein Staat kann nicht pleitegehen“, heißt es seit Jahrhunderten. Aber was bedeutet das jetzt für Marl?
Gehälter der städtischen Bediensteten sind gesichert

Claus Hamacher ist Finanzdezernent beim Städte- und Gemeindebund NRW. Der Fachmann erklärt: „Im Unterschied zu einem Unternehmen ist eine Stadt rechtlich nicht insolvenzfähig“, so der Experte: „Eine Kommune muss immer da sein, die Schulen müssen öffnen, der Müll muss abgeholt werden, anders geht es nicht.“ Und: Droht einer überschuldeten Stadt die Zahlungsunfähigkeit, ist vorgesehen, dass das Land einspringt. „Allerdings ist offen, ob das Land NRW auch rechtlich verpflichtet ist, der zahlungsunfähigen Kommune zu helfen“, sagt Hamacher.
Der Finanzfachmann betont: „Praktisch können weder Bund noch Land es zulassen, dass eine Stadt ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann, denn damit würde das Vertrauen der kreditgebenden Banken in den Staat insgesamt erschüttert. In der Geschichte der Bundesrepublik ist das auch noch nie vorgekommen.“ Faktisch sind damit sowohl Bankkredite als auch die Gehälter der mehr als 1000 städtischen Beamten und Angestellten in Marl abgesichert.
Allerdings: Die kreditgebenden Banken schauen mit Argusaugen auf bilanziell überschuldete Städte wie Marl. Sinkt die Bonität, steigen die Kreditzinsen. Und: „Keine Bank ist verpflichtet, einer Stadt einen Kredit einzuräumen“, so Claus Hamacher: „Auch dann nicht, wenn die Stadt an der Bank beteiligt ist.“