
Ralf Czajerek hat den ganzen Freitagmorgen damit verbracht, die Hochwasser-Einsätze vom Donnerstag nachzuarbeiten. Der stellvertretende Leiter der Marler Feuerwehr, der ehrenamtlich arbeitet, war ab der frühen Donnerstagnacht bis zum Spätnachmittag mit dem Wasserförderzug in Engelskirchen im Einsatz. In drei Bauernhöfen stand das Wasser ungefähr 1,50 Meter hoch im Erdgeschoss. „Die Menschen haben ihr Hab und Gut verloren. Sie haben noch versucht, vieles nach oben zu bringen, aber sie mussten sich auch um die Tiere kümmern“, berichtet der 53-Jährige. „Zum Glück konnten die Tiere alle dank der örtlichen Kollegen gerettet werden.“
Sein Trupp sei ausschließlich für das Abpumpen des Wassers zuständig gewesen, sagt Ralf Czajerek: Der Wasserförderzug mit Kommandowagen, Wechselladerfahrzeug und Gerätewagen ist einer von 16 Wasserförderzügen in Nordrhein-Westfalen, die landesweit zur Gefahrenabwehr bei Großeinsatzlagen und im Rahmen des Katastrophenschutzes zur Verfügung stehen.
Wassermassen auf der A1 verblüffen die Feuerwehrleute
Bei der Anfahrt nach Engelskirchen hatte die Mannschaft um Ralf Czajerek bereits auf der Autobahn das erste Aha-Erlebnis: „Bei Leverkusen stand die ganze A1 unter Wasser. Die Wassermassen waren imposant.“ In Engelskirchen schickte der örtliche Einsatzleiter die Marler dann in das Gebiet der drei Bauernhöfe, in dem das Wasser nicht ablief.
50.000 Liter pro Minute hätte das Team abpumpen können. „Wenn wir das gemacht hätten, hätten wir aber eine Hauptverkehrsachse lahm gelegt. Wir haben dann mit 8000 Litern pro Minute gearbeitet“, beschreibt der Einsatzleiter. Das Wasser wurde in einen Bach gepumpt. „Die Kollegen meinten, das wäre normalerweise ein Rinnsal – am Donnerstag war es ein reißender Fluss mit fünf Metern Breite.“
Nachbereitung in der Wache dauert bis tief in die Nacht
Um ihre mit einem Schwimmkörper versehene Pumpe einsetzen zu können, mussten die Marler Feuerwehrleute sie erst einmal mit Wathosen an die tiefste Stelle bringen. „Wir konnten dann bis zu einer Höhe von 35 bis 40 Zentimetern abpumpen, danach zieht unsere Pumpe Luft und arbeitet nicht mehr so wie sie soll. Ab dann konnten die örtlichen Kollegen dann wieder übernehmen“, erzählt Ralf Czajerek. Für die zehn Marler ging es dann wieder Richtung Heimat. Getan war die Arbeit am späteren Abend aber noch nicht: Die Fahrzeuge mussten in der Hauptwache gereinigt werden und später war die persönliche Kleidung in den heimischen Gerätehäusern dran.
Ähnlich intensiv erlebten die Kollegen aus Polsum, Alt-Marl und Lenkerbeck ihre Einsätze. Ein Löschzug der Lenkerbecker unterstützte ab 0.55 Uhr mit acht Kräften die Feuerwehr Bochum. Sie pumpten zunächst Keller und Wohnungen leer, halfen dann ab 4 Uhr in Dahlhausen mit, Anwohner vorsorglich zu evakuieren, da die Ruhr überzulaufen drohte. Gegen 10 Uhr drohten in der Nähe eines Krankenhauses in Langendreer Wohnhäuser überflutet zu werden – die Marler warfen die Pumpen an, um das Schlimmste zu verhindern. Abgelöst wurden sie um 19 Uhr von den Bochumer Kollegen.
Neuwagen stehen mitten im Wasser
Polsumer und Alt-Marler Kollegen waren als „Hochwasserkomponente“ des Kreises angefordert und machten sich mit einem Lösch- und einem Wechselladerfahrzeug nach Wuppertal auf. „Hauptsächlich waren die Kollegen damit beschäftigt, ein Autohaus abzupumpen. Hier stand das Wasser im Erdgeschoss und im Keller auf 300 Quadratmetern. Die Kollegen haben im Keller 15 bis 20 Neuwagen gezählt. Der Schaden ist groß“, so Ralf Czajerek, der im Jahr 2002 beim Hochwasser in Bitterfeld drei Wochen lang im Einsatz war.
Zeit zum Nachrichtenschauen hatte der stellvertretende Feuerwehrchef am Freitag nicht: „Aber von den Kollegen bekommt man Bilder und sieht die Ausmaße.“ Ein geteiltes Video geht ihm nicht aus dem Kopf. Es zeigt, wie Passanten einen Feuerwehrmann aus Wassermassen retten: „Das sind Helden.“
Dezernent dankt für Einsatz
Michael Bach, allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters und zuständiger Dezernent für die Feuerwehr, hat den Mitgliedern der Marler Feuerwehren am Freitagmorgen für ihren „unermüdlichen und aufopferungsvollen Einsatz“ in den Hochwassergebieten gedankt. „Ihr vorbildlicher Einsatz in dieser außergewöhnlichen Gefahrensituation verdient höchste Anerkennung“, so Michael Bach in seinem Dankeschreiben an die Marler Einsatzkräfte. „Ihr erfolgreicher Einsatz unterstreicht die große fachliche Kompetenz und die hohe Qualität der Zusammenarbeit unserer hauptamtlichen und freiwilligen Feuerwehrkräfte“.
Michael Bachs Dank gilt auch allen Mitgliedern der Hilfsorganisationen: „Wir freuen uns, dass Einsatzkräfte aus unserer Stadt den betroffenen Menschen helfend zur Seite stehen konnten“. Den Betroffenen gelte „unser aller Mitgefühl“.
Die Marler Feuerwehr ist weiterhin in Rufbereitschaft für Hochwasser-Einsätze. „Gegen 7 Uhr am Freitag wurde unsere Bereitschaft abgefragt“, erzählt Ralf Czajerek. Ein Rettungstransportfahrzeug ist kurz darauf in den Rhein-Sieg-Kreis beordert worden
