Einsamkeit schamlos ausgenutzt Gaunerpärchen betrügt Witwer um 170.000 Euro

Von einem Aktenordner verdeckt sitzt der Angeklagte neben seinem Verteidiger auf der Anklagebank des Marler Amtsgerichts.
Von einem Aktenordner verdeckt sitzt der Angeklagte neben seinem Verteidiger auf der Anklagebank des Marler Amtsgerichts. © Thomas Brysch
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Ein schwerer Schicksalsschlag hatte einen 63-jährigen Marler getroffen. Seine Frau war gestorben. Tief traurig und auf der Flucht vor der Einsamkeit ging er in die Kneipe. „Ich hatte schon ein paar Bier getrunken, als ich den Angeklagten kennenlernte“, erinnert er sich heute. Im Saal A des Marler Amtsgerichts hebt er am Verhandlungstag nur selten den Blick – und schaut dann dem 35-jährigen Deutsch-Türken ins Gesicht, der ihn gemeinschaftlich mit einer Prostituierten um mehr als 170.000 Euro betrogen hat.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem schon in jungen Jahren mehrfach vorbestraften Angeklagten und der Prostituierten gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrug vor. Und er hat nicht nur die Einsamkeit eines Witwers schamlos ausgenutzt. Sechs Kunden, die bei ihm in den Jahren 2022/23 einen meist luxuriösen Gebrauchtwagen kaufen wollten, hat er um Anzahlungen in oft vierstelliger Höhe betrogen. Ausgeliefert wurden die Autos nie. Die Betrugsopfer sind am Verhandlungstag als Zeugen geladen.

Prostituierte aus Castrop-Rauxeler Nachtclub engagiert

Im Sommer 2022 erschlich sich der Angeklagte das Vertrauen seines späteren Opfers und erfuhr, dass der Marler von seinen Eltern 245.000 Euro geerbt hatte. Mit hoher krimineller Energie ging der 35-Jährige zu Werke. Er engagierte die in einem Castrop-Rauxeler Nachtclub unter einem Künstlernamen tätige Prostituierte, die mit dem Opfer eine Beziehung einging. Dann rückte sie mit einer Lügengeschichte heraus.

Das Amtsgericht Marl hat ein Pärchen jetzt wegen des gemeinsamen gewerbsmäßigen Betrugs verurteilt.
Das Amtsgericht Marl hat ein Pärchen jetzt wegen gemeinsamen gewerbsmäßigen Betrugs verurteilt.© Thomas Brysch

Für ihre in ihrer Heimat Ungarn angeblich schwer erkrankte Schwester erbat sie von dem Witwer 120.000 Euro für eine Nierentransplantation. Das Geld wollte sie durch den anstehenden Verkauf ihres Elternhauses zurückzahlen. Der 63-Jährige hob das Geld von der Bank ab und übergab es dem Angeklagten. Weitere, angeblich in Ungarn benötigte Beträge kamen dazu. Am Ende hatte der Marler im festen Glauben an das Heiratsversprechen in Summe gut 170.000 Euro verloren, als der Schwindel aufflog.

Für ihre Liebesdienste bekam die Prostituierte insgesamt 10.000 Euro von dem 35-Jährigen. Der Deutsch-Türke war selbst hoch verschuldet, stand unter massivem Druck der Gläubiger und zahlte mit dem ergaunerten Geld einen Teil seiner Verbindlichkeiten zurück. Dahin flossen offenbar auch die Anzahlungen aus den kriminellen Auto-Deals.

Das Schöffengericht um Richterin Sabrina Martin Lopez verurteilte die Prostituierte wegen gemeinsamen gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Von ihrem monatlichen Nachtclub-Gehalt von 1600 Euro netto soll sie nun neben bestehenden Steuerschulden auch die 10.000 Euro abstottern.

„Mein Geld habe ich längst abgeschrieben“

Den Deutsch-Türken trifft es härter. Selbst sein Verteidiger sagt im Plädoyer: „Das war schäbig, und das weiß mein Mandant.“ Aber Geständnis und Reue helfen dem Angeklagten. Seine Frau und seine drei kleinen Kinder sind im Gerichtssaal, als das Urteil gesprochen wird: Zwei Jahre und neun Monate Haft erhält der 35-jährige, der bereits fünf Monate U-Haft hinter sich hat. Hier ist keine Bewährung möglich. Wie Richterin Martin Lopez erklärt, wird der Haftbefehl gegen ihn zunächst außer Vollzug gesetzt. Er kann zu seiner Familie und seinem neuen Wohnsitz zurückkehren. In etwa vier Monaten aber wird er sich zum Antritt der Haftstrafe melden müssen.

Die Hoffnung des Gerichts: Die Justizvollzugsanstalt wird die Haftstrafe schon aus Platzmangel schnell in offenen Vollzug umwandeln, sodass der 35-Jährige sich um seine Familie kümmern und Geld für die Begleichung des Schadens verdienen kann.

Das Betrugsopfer ist Realist: „Mein Geld habe ich längst abgeschrieben, das bekomme ich niemals wieder“, sagt er resigniert und kritisiert das Urteil im Gespräch mit unserer Redaktion: „Dieser Betrüger sollte seine Strafe vollständig im Gefängnis absitzen, offener Vollzug ist nicht gerecht.“

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