Verkehrssicherheit - mit Video Sieben Brennpunkte im Marler Radwegenetz

Thomas Brysch
Ludger Vortmann, Michael Pasch und Klaus Philipp (v. l.) vom Radlerstammtisch sind sich mit Anwohnerin Vanessa Händly einig: Der Baum, der mitten auf dem Radweg am Lipper Weg steht, bleibt stehen. Der Radweg aber sollte umgeleitet werden. © Thomas Brysch
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Die Stadt Marl hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Sie will bis zum Jahr 2035 die Voraussetzungen schaffen für einen möglichst klimaneutralen Verkehr im Stadtgebiet. Der Hoffnungsträger schlechthin dabei: das Fahrrad. Nicht umsonst ist der Forderungskatalog einer Initiative als Marler Radentscheid offizielle Politik geworden. Wir sind im ersten Jahr der Umsetzung des insgesamt 64 Millionen Euro schweren Programms. Doch die Initiatoren, die sich regelmäßig im Rahmen des Marler Radlerstammtischs treffen, sind unzufrieden mit der ihrer Meinung nach schleppenden Umsetzung.

Auf einer Tour durch das Stadtgebiet zeigen Ludger Vortmann, Klaus Philipp und Michael Pasch, wo es noch hakt. Ihr Thema: Mehr Platz und Sicherheit für Radler und Fußgänger. Alle drei fahren E-Bikes. „Die wahre E-Mobilität spielt sich auf dem Fahrrad ab“, sagt Klaus Philipp stolz.

Beängstigende Enge am Bahnhof Sinsen

Beispiel Nr. 1: Die Eisenbahnbrücke in Sinsen. Platz haben hier nur die Autos. Für Radler und Fußgänger geht es beängstigend eng zu, vor allem auf der Nordseite, wo beide in beide Richtungen verkehren dürfen, der kombinierte Rad-/Fußweg aber kaum breiter als anderthalb Meter ist. „Wir müssen hier den Radlern die Angst nehmen, sagt Philipp. „Wenn schon Radentscheid, dann richtig“, meint Vortmann: „Absteigen ist hier keine Option“. Er fordert die Reduzierung des Kraftverkehrs auf eine Spur unter der Brücke mit entsprechender Ampelschaltung. Der Rad/Fußweg soll exklusiv den Fußgängern überlassen werden, eine Straßenspur als Umweltspur ausschließlich den Radfahrern und den Bussen der Vestischen.

Viel zu eng geht auf dem kombinierten Rad-/Fußweg an der Hülsbergstraße zu. Der gehbehinderte Anwohner Rudolf Gnutzmann in seinem Elektromobil ist sich da mit den Männern vom Radlerstammtisch einig.© Thomas Brysch

Beispiel Nr. 2: Die Hülsbergstraße in Lenkerbeck zwischen Victoriastraße und Steigerturm. Hier gibt es nur auf einer Straßenseite einen schmalen kombinierten Rad-/Fußweg für beide Richtungen. „Ich verstehe die Verkehrsplaner unserer Stadt nicht“, sagt Anwohner Rudolf Gnutzmann. Der 85-Jährige ist gehbehindert und mit seinem vierrädrigen Elektromobil unterwegs. Für ihn alleine reicht der Weg so gerade. Kommt ein Radler, wird es gefährlich eng, zumal auf Höhe des Breewiesenwegs auch noch ein Stahlmast in den Weg hineinragt. „Da kann man sich nur an den Kopf fassen“, so Gnutzmann.

Der Fahradweg am Ovelheider Weg auf Höhe der Martin-Luther-King-Gesamtschule ist viel zu eng. Ludger Vortmann weist auf die Schlaglöcher (l.) hin. Für Michael Pasch ist klar: Die schöne Lindenallee muss erhalten werden, aber der Grünstreifen sollte einem erweiterten Radweg weichen.© Thomas Brysch

Beispiel Nr. 3: Ähnlich geht es am Ovelheider Weg zu, wo große Bäume den Platz für Radler einschränken. „So eine schöne Lindenallee fällt man natürlich nicht, sagt Michael Pasch, der viele Jahre lang eine Baumschule führte, und weist auf den zugewucherten Grünstreifen Richtung Martin-Luther-King-Gesamtschulgelände hin, den man für eine Verbreiterung des Fuß-/Radweges wunderbar nutzen könnte.

Im Prinzip gut, aber noch immer zu schmal: Auf dem Fahrradweg an der Ringerottstraße können keine zwei Radler nebeneinander fahren.© Thomas Brysch
An der Otto-Wels-Straße sind Rad- und Fußweg klar getrennt und ausreichend breit. „Daumen hoch!“ sagt das Trio vom Radlerstammtisch.© Thomas Brysch

Beispiel Nr. 4: Die Ringerottstraße, Nähe Haus Tobit: Hier sind Fahrradweg und Fußweg auf beiden Straßenseiten neu angelegt und farblich klar getrennt. „Eigentlich gut gemacht“, sagt Klaus Phillip: „Aber viel zu schmal“. Tatsächlich können hier nicht einmal zwei Radler nebeneinander fahren. „Hier wurde beim Neubau der Straße wieder von innen nach außen gedacht“, sagt Ludger Vortmann: Erst kommen die Autofahrer, der Rest ist zweitrangig.“ Gelungen dagegen ist der Fuß-/Radweg an der Otto-Wels-Straße in Hüls. Er ist breit, glatt, klar getrennt. „Daumen hoch“, sagen die drei vom Radlerstammtisch.

Fahrradstraße bietet kaum mehr als ein Schild

Beispiel Nr. 5: Die Droste-Hülshoff-Straße als Fahrradstraße. Zwischen Otto-Hue-Straße und Hülsstraße können Radler die volle Breite der Straße nutzen. Autos werden nur geduldet. Klaus Philipp ist jedoch nicht zufrieden: „Das ist keine ideale Lösung. Die Straße sieht aus wie jede andere. Hier gibt es viel zu viele parkende Autos, die auch noch in die Fahrradstraße hineinragen.“ Außerdem sei die Fahrradstraße viel zu kurz und nicht Teil eines Netzwerks. „Eigentlich hat die Stadt hier nur ein Schild aufgestellt, mehr nicht. Die Autos fahren wie bisher, die Rechte der Radfahrer werden nicht ernst genommen.“

Beispiel Nr. 6: Der Lipper Weg in Hüls. Hier steht in der Nähe des Lipper Hofs eine mächtige Linde mitten auf dem Fahrradweg. „Und dieser Baum bleibt stehen!“ sagt Anwohnerin Vanessa Händly mit einem Lächeln. Der Meinung ist auch das Trio vom Radlerstammtisch – und hat gleich eine Lösung parat. Warum nicht den Radweg auf Kosten zweier Pkw-Stellplätze in voller Breite links am Baum vorbeiführen und so die Gefahr beseitigen? Auch Vanessa Händly wundert sich, warum die Stadt hier noch nicht reagiert hat. „Wenn ich aus meiner Haustür komme und die Radler im letzten Moment dem Baum ausweichen, jagen sie direkt vor meinen Füßen vorbei.“

An der Bonifatiusstraße in Brassert ist der Fahrradweg in einem üblen Zustand. Hier gibt es nicht nur reichlich Schlaglöcher, sondern auch, wie Michael Pasch zeigt, wirklich gefährliche Stolperkanten – und das in der Nähe einer Grundschule.© Thomas Brysch

Beispiel Nr. 7: Der Radweg an der Bonifatiusstraße in Brassert. Hier ist das Trio vom Radlerstammtisch in großer Sorge um die Sicherheit der Kinder, die hier zur nahen Bonifatiusschule und den weiterführenden Schulen in der Nähe radeln. Der Radweg ist in einem katastrophalen Zustand: tiefe Schlaglöcher, gefährliche, teils verdeckte Stolperkanten, die Stürze geradezu herausfordern. „Hier müsste als erstes etwas geschehen“, fordert Ludger Vortmann.

Der Radlerstammtisch drängt die Stadt, bei der Erneuerung des Marler Radwegenetzes mehr Tempo zu machen. Die Stadt hat geantwortet und schriftlich die Bereitstellung der ersten 3,5 Millionen Euro für Planungs- und konkrete Sanierungsmaßnahmen dokumentiert. Eigentlich sollten es acht Millionen sein. Wann wird Marl wieder „fahrradfreundliche Stadt“? Es bleibt spannend.

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