
Seit dem Verbund mit dem früheren Bergwerk „General Blumenthal“ Anfang der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts gibt es in Oer-Erkenschwick keinen eigenständigen Pütt mehr. Dabei begann mit dem Abteufen des ersten Steinkohleschachtes 1899 nicht nur die Bergbaugeschichte, sondern auch die Geschichte der Neuzeit der Stadt Oer-Erkenschwick. Das alles ist lange her. Aber es gibt immer noch Bürger in der Stadt, die sich gut an ihre Bergbauvergangenheit erinnern können. Einer von ihnen ist Rudi Wirker. Der heute 91-Jährige war für die Ausbildung von Hunderten Elektro-Lehrlingen auf dem Bergwerk „Ewald-Fortsetzung“ und später „Haard“ verantwortlich.
„Abriss des Haardschachtes ging mir nahe“
„Das waren noch Zeiten“, sagt der rüstige Senior, den wir auf seiner Kleingarten-Parzelle treffen. Dort blickt er auf die vielen Blumen und meint: „Über die freuen sich die Insekten und am Ende ich mich auch.“ Und dann konzentriert sich der 91-Jährige sofort wieder auf das Thema Bergbau. „Der Abriss des Haarschachtes vor Monaten ist mir auch nahe gegangen. Genauso wie vor vielen Jahren die Beseitigung der Schächte in der City. Und in den vergangenen Wochen habe ich immer gerne die Berichte ehemaliger Bergleute gelesen, die sich an ihre Zeit auf dem Pütt erinnert haben. Deshalb habe ich mich nun auch gemeldet“, sagt Wirker.
Wirkers Zeit auf dem Pütt in Oer-Erkenschwick begann 1944
Seine Zeit auf dem Pütt in Oer-Erkenschwick begann bereits am 1. März 1944. „Eigentlich wollte ich nach der Schule landwirtschaftlicher Verwalter werden. Aber am Ende des Zweiten Weltkriegs hörte man immer mehr von bereits verloren gegangenen landwirtschaftlichen Gütern. Angeblich wurde keine Verwalter mehr gebraucht. Da habe ich halt auf dem Pütt angelegt“, sagt Rudi Wirker, der in Oer-Erkenschwick aufgewachsen und zur Schule gegangen ist.
Nach der Lehre zur Kokerei in Oer-Erkenschwick abkommandiert
Angefangen hat er als Schlosserlehrling. „Aber die Ausbildungsverträge bekamen wir erst drei Monate später nach einer internen Auswahl. Ich durfte dann schließlich den Beruf des Betriebselektrikers erlernen“, erinnert sich Wirker. 1947 bestand er schließlich die Gesellenprüfung und wurde sofort zur Kokerei des Bergwerks „Ewald-Fortsetzung“ abkommandiert. Dort fehlten Elektriker. 1954 wurde dann das Kesselhaus des Bergwerks zum Kraftwerl umgebaut. „Damals gehörte ich dann mit Erich Kullak, Heinz Mondry und Gerd Dolar plötzlich als Starkstromelektriker in Wechselschicht zur Kraftwerksbesatzung.
„Rudi, kümmer dich mal um die Blagen“
1960 bestand Rudi Wirker seine Elektromeisterprüfung und wurde Angestellter auf der Zeche. Fahrsteiger Johann Leihs war es schließlich, der Wirker den Auftrag erteilte: „Rudi, kümmern du dich mal um die Blagen!“ Die Blagen, das waren die Lehrlinge auf dem Pütt, die morgens eingeteilt und im Rahmen der Ausbildung immer wieder betrieblich unterwiesen werden mussten. „Die Jungs kamen hauptsächlich aus Oer-Erkenschwick. Aber es waren auch viele aus Datteln darunter“, erzählt Rudi Wirker.
Ausbildung als beruflicher Schwerpunkt in Oer-Erkenschwick
Fortan war die Ausbildung der jungen Leute der berufliche Schwerpunkt von Rudi Wirker. Er war viele Jahre Vorsitzender des Prüfungsausschusses der Industrie- und Handelskammer und ist sogar für 25-jährige Prüfertätigkeit ausgezeichnet worden. „In meinen letzten Berufsjahren hieß das Berufsbild dann Energieanlagen-Elektroniker. Das waren die ersten Jahre, in denen dann schon mit Transistoren und Dioden gearbeitet wurde. Die Halbleitertechnik hielt Einzug“, erinnert sich Rudi Wirker.

Erinnerungen an viele Ex-Lehrlinge aus Oer-Erkenschwick
„Ich denke gerne an diese Zeit zurück. Und es gibt auch heute noch viele ehemalige Lehrlinge, die mich auf der Straße wiedererkennen“, sagt Rudi Wirker. Und dann zückt er ein Foto. Es zeigt ihn mit frischgebackenen Gesellen des Abschlussjahrgangs 1967. „Ich kann mich noch an Namen wir Jürgen Neisen, Franz-Josef Straub, Reinhard Schätzler, Heinz Gendorf, Willi Appel, Herbert Diel und Willi Rupparth erinnern“, sagt Wirker. Und er zeigt dann einen Zeitungsausschnitt von der Freisprechung der Elektriker 1968 zusammen mit Werksdirektor Bernhard Jünnemann und Werner Lechtenböhmer vom Stickstoffwerk. Bestanden haben damals unter anderem Wolfgang Schäfer, Jürgen Klein, Ernst Zöphel, Herbert Mettke, Willi Kahle und Bernhard Bussmann. „Das waren alles gute Jungs. Viele von ihnen haben weiter die Schule besucht oder studiert“, sagt Rudi Wirker.
Seit 42 Jahren Mitglied im Kleingartenverein Oer-Erkenschwick
Seit 1986 ist Rudi Wirker im Ruhestand. Und seit 42 Jahren bewirtschaftet er eine Parzelle in der preisgekrönten Anlage des Kleingärtnervereins „Arbeit und Freude“ an der Ahsener Straße. Aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte.