Späteinsteigerin Von wegen zu alt - diese 95-Jährige „arbeitet“ am Computer

Hat sich in die Bedienung eines Tablet-Computers auch mit Unterstützung des Seniorenclub-Vorsitzenden Klaus Skodell "hineingefuchst", die 95-jährige Waltraud Netta. © Jörg Gutzeit
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Die Lebensfreude steht ihr ins Gesicht geschrieben. „Ich bin immer noch sehr neugierig auf alles, was in der Welt passiert“, sagt Waltraud Netta aus Oer-Erkenschwick. Die rüstige Seniorin ist sage und schreibe 95 Jahre alt und das älteste Mitglied des Seniorenclubs, das sich auch in Coronazeiten an den Stammtischen ihres Vereins beteiligt – und zwar online an ihrem neuen Tablet-Computer.

95-Jährige aus Oer-Erkenschwick besitzt ein „Biest“

„Das ist das Biest“, sagt die 95-Jährige, als sie in ihrer Wohnung den Lenovo-Tablet-Computer zeigt. „Biest“ nennt sie das Gerät deshalb, weil es immer noch oft nicht so will, wie Waltraud Netta es gerne hätte. „Wenn ich nicht weiterkomme, dann sind das immer die Momente, ich denen ich eine seniorengerechte Bedienungsanleitung für Computer vermisse“, sagt die 95-Jährige. „Aber da helfen mir die Ulrike oder der Klaus.“

Ulrike Peick aus Oer-Erkenschwick hilft gerne

„Die Ulrike“, das ist die Tochter ihres guten Bekannten Clemens Peick. Übrigens der Nachfolger von Heinz Netta als Bürgermeister von Oer-Erkenschwick. Und mit Heinz Nettas Bruder Arthur war Waltraud Netta 60 Jahre verheiratet. Die Familie Peick unterstützt die allein lebende Seniorin bei Problemen im Alltag. „Und die Ulrike hat mich vor zwei Jahren auf ein Smartphone umgestellt“, merkt die 95-Jährige lächelnd an.

Seit dieser „Umstellung“ telefoniert Waltraud Netta nur noch mobil und freut sich auch über Bildzusendungen auf dem Smartphone. „Allein zu meinem jüngsten Geburtstag haben mir darüber 38 Freunde und Bekannte gratuliert.“ Wenig später kam dann der nächste Schritt: Nach dem LG-Smartphone besitzt Waltraud Netta nun auch ein Lenovo-Tablet. Und das wiederum hat etwas mit „dem Klaus“ zu tun.

Seniorenclub Oer-Erkenschwick schult am Computer

Klaus Skodell ist Vorsitzender des Seniorenclubs. Weil viele der rund 300 Mitglieder den Wunsch äußerten, in Sachen Internet fit werden zu wollen, hat der Vereinsvorstand reagiert. Und weil mittlerweile rund 90 Prozent der Vereinssenioren über ein Smartphone verfügen, ließ der Seniorenclub eine App entwickeln. „Die kam richtig gut an“, sagt Klaus Skodell und wird von Waltraud Netta bestätigt: „Endlich hatten wir in der Coronazeit eine Möglichkeit, wieder miteinander in Kontakt zu treten“, sagt die 95-Jährige.

Stammtische via App am Tablet-Computer

Denn: Mittlerweile finden innerhalb des Seniorenclubs regelmäßig wieder Stammtische statt. Trotz Corona, dafür online und über die App. „Das ist eine wunderbare Sache“, sagt Waltraud Netta, die regelmäßig mit dabei ist. Und jetzt hat sie quasi „virtuelles Blut“ geleckt und will sich noch weiter hineinknien in das Internet-Geschäft. „Aber Corona bremst uns alle aus. Leider“, sagt die Seniorin.

Denn: Der Seniorenclub organisierte über die Stiftung „Digital im Alter“ 20 Leih-Tablet-Computer und einen vereinsinternen Computerkurs. „Beim Infoabend dazu war es rappelvoll“, erinnert sich Klaus Skodell.

Senioren aus Oer-Erkenschwick hoffen auf Fortsetzung

Ganz vorne mit dabei: Waltraud Netta. „Der Kurs fehlt mir, denn ich habe eine Menge Fragen. Es wird wirklich Zeit, dass die Schulung fortgesetzt wird“, sagt Waltraud Netta, die auch gerne mit anderen Vereinsmitgliedern über ihren Computer chattet. Klaus Skodell hat das schon organisiert. Wahrscheinlich ab August wird der Internet-Kurs für Senioren fortgesetzt. „Viele ältere Menschen werden ja durch ihre Kinder und Enkel an das Thema Computer herangeführt. Ich bin aber leider kinderlos und freue mich deshalb ganz besonders über die Unterstützung durch den Seniorenclub“, sagt Waltraud Netta.

Aber wie schafft man es, mit 95 Lebensjahren so fit zu bleiben und noch einen Computer-Führerschein zu machen? „Entgegen anderslautenden Behauptungen glaube ich nicht, dass es die Gene sind. Ich war und bin neugierig und hungrig auf das Leben, esse viel Gemüse, trinke aber in Gesellschaft auch mal ein Schnäpschen. Irgendwie muss man mit Sport, Essen und Trinken sein Leben in eine gesunde Waage bringen. Und mit Liebe auch“, sagt die 95-Jährige, „dann klappt es auch mit dem Computer“…

Begeisterte Kartenspielerin

  • Waltraud Netta ist 95 Jahre alt und wuchs im Raum Königsberg auf. Nach der Flucht aus Ostpreußen führte sie der Weg über Kiel nach Oer-Erkenschwick. Hier lebte bereits ihr Onkel.
  • Nach einem zwischenzeitlichen Lageraufenthalt erreichte Waltraud Netta 1946 die Stimbergstadt und arbeitete zunächst für ein Beerdigungsunternehmen in Datteln. Später schulte die gelernte Stenotypistin zur Arzthelferin um und war in einer Recklinghäuser Kinderarztpraxis tätig.
  • 1953 lernte sie Arthur Netta, den Bruder des späteren Bürgermeisters von Oer-Erkenschwick, Heinz Netta, kennen und heiratete ihn wenige Monate spätere. Seit acht Jahren ist Waltraud Netta verwitwet.
  • Heute ist die begeisterte Kartenspielerin Waltraud Netta nach Karl-Heinz Schröter (96) das zweitälteste Mitglied des Seniorenclubs.
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