Extreme einer Stadt (mit Video) Ab in den Süden von Recklinghausen

Peter Wagner zeigt auf den südlichsten Punkt von Recklinghausen, der auf dem Betriebsgelände der BAV Aufbereitung Herne liegt. Die Grenze zwischen den beiden Städten verläuft mitten durch die Emscher. © Christian Pozorski
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Die Recklinghäuser Zeitung macht sich auf die Suche nach den „Extremen“ der Stadt. Diesmal geht es Richtung Äquator – zum südlichsten Punkt der Stadt. Der liegt im ehemaligen Vier-Städte-Eck, das seinen Namen in einer Ära bekam, als Wanne-Eickel noch nicht zu Herne gehörte. Auch die Ausläufer von Herten und Recklinghausen treffen sich an dieser Stelle. Hier kennt Peter Wagner sich aus.

Der 65-Jährige ist Vorsitzender der Aktiven Stadtteilrunde Hochlarmark, außerdem Beisitzer im Vorstand des Vereins für Bergbau- und Industriegeschichte. Von ihm erfahren wir, dass die dunklen Flecken, die man auf Online-Satellitenbildern im äußersten Süden von Recklinghausen und nördlich der Emscher erkennen kann, ehemalige Kohlenlager sind. Vor Ort finden wir eine überschwemmte Fläche vor, die auf dem besten Weg zu einem Biotop scheint. Gräser wiegen sich im Wind, sogar Schilfrohr wächst. Im Wasser spiegelt sich ein dramatischer Wolkenhimmel. Von einem Forstbeamten, den Wagner zufällig trifft, erfahren wir, dass am Ufer dieser kleinen Wasserfläche Gänse brüten.

Im Emscherbruch gab es sogar Wildpferde

Aber erst in den 1990er-Jahren seien die Flächen südlich der Wanner Straße – gegenüber vom Waldfriedhof – zu Kohlenlagern geworden, fährt Wagner fort. Früher habe sich hier der „Emscherbruch mit tiefen Wäldern“ befunden. Sogar Wildpferde hätten dort gelebt. Auf ein Waldstück zeigend sagt der ehemalige Vermessungsingenieur, der seine Lehre auf Zeche Recklinghausen II gemacht hat: „Diese Bäume haben die Wildpferde vielleicht noch gesehen. Manche dieser Buchen sind bestimmt 200 Jahre alt.“

Weil der südlichste Punkt Recklinghausens auf dem Betriebsgelände der BAV Aufbereitung Herne liegt, gelangen wir nicht dorthin. Auch die wesentlich größere, noch ein Stück weiter südlich gelegene schwarze Fläche – ebenfalls ein ehemaliges Kohlenlager – ist für uns nicht erreichbar. Von unserem Standort aus können wir das Steag-Heizkraftwerk sehen, das ebenfalls auf Herner Gebiet liegt.

Peter Wagner zeigt eine Luftaufnahme des Bereichs aus dem Jahr 1931. Auf dem Bild ist die zentrale Kohlenaufbereitungsanlage für die Zechen Recklinghausen II und Julia in Herne zu sehen, die 1930 gebaut worden war. So lange hatte der Emscherbruch in diesem Gebiet Bestand. „Die Kohlen sind mit Kettenbahnen zu den Zechen gefahren worden“, erklärt der Hochlarmark-Historiker. Bis 1974 war die Aufbereitungslage in Betrieb, 1976 erfolgte der Abriss.

Das Luftbild von 1931 zeigt die Zentralanlage der Zechen Julia und Recklinghausen. © Privat © Privat

Kohlenlager der Ruhrkohle in den 90er-Jahren

Später seien auf den Flächen Kohle- und auch Klärschlamm getrocknet worden, die im Kraftwerk Herne als additive Brennstoffe den Steinkohlen zur Stromerzeugung zugeführt worden seien. Erst deutlich später – in den 1990er-Jahren – sei das Areal als Kohlenlager der Ruhrkohle genutzt worden. Wagner: „Kohlenhändler vom Niederrhein bis Westfalen kamen hier her, um Hausbrand abzuholen und in ihre Siedlungen zu bringen.“

Auf der Emscherbrücke, die das Vier-Städte-Eck über die Cranger Straße verbindet, deutet der 65-Jährige den Fluss hinauf: „Von hier aus 204 Meter emscheraufwärts liegt der südlichste Punkt von Recklinghausen.“ Als ehemaliger Vermessungsingenieur weiß man das eben bis auf den Meter genau.

Zum südlichsten Gebäude der Stadt weiß Wagner ebenfalls etwas zu berichten. An der heutigen Wanner Straße 99 ist auf einer Karte von 1850 die historische Hofstelle „Landwehrman“ verzeichnet, als erster Siedler überhaupt in diesem Bereich ist Conrad Externest dokumentiert. Später habe sich an der Adresse die Gaststätte „Forsthaus“ etabliert. Wagner: „Im 20. Jahrhundert war das Forsthaus ein beliebtes Ausflugslokal mit einem schönen alten Baumbestand.“ Die Wildpferde galoppierten da schon nicht mehr.

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