Als das „Raumschiff“ Palais Vest landete Hendrik Otremba erinnert sich an Recklinghausen

Der aus Recklinghausen stammende Künstler Hendrik Otremba sitzt an einem Schreibtisch, hinter ihm hängen an einer Pinnwand verschiedene Zettel.
Der aus Recklinghausen stammende Autor und Musiker Hendrik Otremba veröffentlicht am 31. März sein erstes Solo-Album. © Max Zerrahn
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Drei Jahre lang hat Hendrik Otremba (38) an seinem dritten Buch „Benito“ geschrieben. Und hatte so seine Probleme damit: Zwei Erzählstränge wären dem aus Recklinghausen stammenden Autor fast zum Verhängnis geworden. Dann kam ihm aber die rettende Idee. Entstanden ist eine Reise in die Vergangenheit, auf der Otremba seinen Leserinnen und Leser nicht nur persönliche Erinnerungen anvertraut, sondern sie auch an bekannte Orte in der Festspielstadt mitnimmt.

Auf Spurensuche in der Heimatstadt

„Ich wollte keinen Lokalroman schreiben, der sich auf eine Stadt konzentriert“, sagt Otremba. Und so wird die Stadt Recklinghausen in dem 500 Seiten starken Werk namentlich auch nicht erwähnt. „Aber Recklinghäuser erkennen Dinge wieder“, sagt der in Süd und König Ludwig aufgewachsene Autor. Da ist etwa das Südbad oder der Stadtteil Hochlarmark, in dem Otrembas Oma einen Tante-Emma-Laden betrieb. Das Rathaus wirkt auf den nach Recklinghausen zurückkehrenden Erzähler „wie die überdimensionierte Version eines Modellbauhauses“, er lässt Besuche mit dem Vater auf der Trabrennbahn Revue passieren und bedauert, dass aus dem Kino „Capitol“ hinter dem Hauptbahnhof ein Casino geworden ist.

„Auerbachs Keller“ lebt!

„Das Buch ist eine Auseinandersetzung mit meiner eigenen Geschichte“, sagt Otremba, der heute mit Partnerin und Tochter (3) in Berlin lebt. Die Gegenwart biegt er sich in „Benito“ trotz grundsätzlicher Authentizität aber auch mal zurecht: „In der Gaststätte ,Auerbachs Keller‘ bin ich als Kind oft mit meiner Familie gewesen. Und in meiner Idealvorstellung von Recklinghausen gibt es den Keller noch. Deshalb findet dort in meinem Buch ein Gespräch statt.“ (Heute befindet sich an der Stelle des „Auerbachs Keller“ das Lokal „Black Bonsai“.)

Andere Dinge lässt Otremba an Ort und Stelle. Das Palais Vest nennt er nicht beim Namen, schreibt aber mit kritischem Unterton: „Nach der Erbauung einer gigantischen, an ein auf die Innenstadt gestürztes Raumschiff erinnernden Shopping Mall im Jahrzehnt zuvor, waren nicht nur die meisten Geschäfte des Einzelhandels, sondern auch die Restaurants und Cafés bereits stark angeschlagen gewesen, als die Pandemie auch vor meiner Geburtsstadt nicht Halt gemacht hatte.“

Der Buchdeckel des Romans
„Benito“ ist nach „Über uns der Schaum“ und „Kachelbads Erbe“ das dritte Buch von Hendrik Otremba. © Tobias Mühlenschulte

Den (fiktiven) Amoklauf im Erzählstrang des Jahres 2026 nutzt Otremba am Rande für eine Medienkritik. Der zweite Erzählstrang spielt im Jahr 1995 und begleitet den autobiografischen Charakter „Cherubim“ und dessen Pfadfindergruppe auf einer dreiwöchigen Flussfahrt. Otremba war früher selbst Pfadfinder. „Mir war dieses Buch so wichtig, weil es auch um meine eigene Geschichte geht. Ich habe viel von mir reingesteckt“, sagt er. Und Otremba spart nicht mit Persönlichem: Er schreibt über die Trennung seiner Eltern, den Tod des Vaters und die Beziehung zu seinem jüngeren Bruder. Gewidmet hat er „Benito“ seiner Mutter.

Ein Kniff rettete den Roman

„Es hätte nicht viel gefehlt und der Roman wäre in einer tiefen Schublade gelandet“, sagt Otremba. Er habe die beiden Erzählstränge zunächst strikt voneinander getrennt, was nicht funktionierte. Doch ihm kam eine Idee: „Ich habe die Zeitebenen in gleich große Teile aufgeteilt und ineinander kippen lassen.“ Herausgekommen ist eine gelungene und spannende Mischung aus einer Coming-of-Age-Geschichte und einer Spurensuche in der Gegenwart, die in diesem Fall im Jahr 2026 liegt.

Am 26. Januar 2023 kommt der Autor für eine Lesung in die Stadtbibliothek Recklinghausen.

Zur Person: Otremba besuchte die Gudrun-Pausewang-Grundschule und das Theodor-Heuss-Gymnasium. In seiner Jugend war er freier Mitarbeiter der Recklinghäuser Zeitung. Er studierte Germanistik und Medienwissenschaften in Bochum, ab 2008 Kulturpoetik in Münster. Seit 2016 lebt das Gründungsmitglied des Alternativen Kulturzentrums Recklinghausen in Berlin. Vor „Benito“ veröffentlichte Otremba die Bücher „Über uns der Schaum“ und „Kachelbads Erbe“. Im März 2023 will er einen Gedichtband und sein erstes Solo-Album veröffentlichen. Mit seiner Postpunk-Band „Messer“ arbeitet Otremba aktuell am fünften Studio-Album.

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