Impfschwänzer Bis zu zehn Prozent der Zweittermine werden nicht wahrgenommen

„Impfschwänzer“ sorgen auch in Recklinghäuser Arztpraxen für einen noch höheren Organisationsaufwand. © Fabian Sommer/dpa
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Immer mehr Impftermine werden in Deutschland unentschuldigt nicht wahrgenommen. Auch in Recklinghausen zeichnet sich dieser Trend in Arztpraxen und im Impfzentrum des Kreises ab. Auf Bundesebene wird bereits über eine „Impfschwänzer-Abgabe“ zwischen 25 und 30 Euro debattiert. Davon hält man in Recklinghausen aber nichts.

„Wenn wir jetzt auch noch anfangen müssten, Geld einzutreiben, wäre das ein viel zu großer Verwaltungsaufwand“, sagt Michael Rausch, der seine Praxis am Holzmarkt hat. Etwa zehn Prozent der Patienten, die einen Termin für eine Zweitimpfung haben, würden zum vereinbarten Datum nicht in seiner Praxis erscheinen. Bislang, so der Allgemeinmediziner, habe er über 2700 Dosen Astrazeneca, Biontech und Johnson & Johnson verimpft – als Erst- oder Zweitimpfung. Hinzu kämen Impfungen in Grundschulen, in Pflegeheimen und bei städtischen Kita-Mitarbeitern. Wegschmeißen musste er noch keine Dosen.

Zehn Prozent „No-Show-Quote“ im Impfzentrum

Auch im Impfzentrum des Kreises in Recklinghausen verzeichnet man eine „No-Show-Quote“ in Höhe von zehn Prozent, wie Kreissprecherin Svenja Küchmeister mitteilt. „Es gibt mit Sicherheit auch triftige Gründe für so etwas, etwa einen ungeplanten Krankenhausaufenthalt. Aber das ist nicht die breite Masse.“ In Höchstzeiten habe man auf dem Konrad-Adenauer-Platz 3000 Impfungen täglich verabreicht, und das könne man heute auch noch bewerkstelligen. Fakt sei aber, dass es aktuell nur zwischen 1500 und 2000 Termine täglich gibt. Deshalb sei auch die Bundeswehr abgezogen worden, die zu Spitzenzeiten mit 25 Soldaten im Impfzentrum im Einsatz war.

Rausch ärgert sich über die Impfschwänzer. „Es scheint schwierig zu sein, einen Termin einzuhalten, den man vor sechs bis acht Wochen vereinbart hat“, kommentiert er einen der potenziellen Gründe für ein Nichterscheinen. Es komme auch vor, dass Menschen für ihre Zweitimpfung zu einem anderen Arzt gehen, weil sie dort einen früheren Termin bekommen. Inzwischen seien die Zeitspannen zwischen den Terminen zwar kleiner geworden, weil bessere Kenntnisse zur Wirksamkeit der Vakzine vorliegen. Aber dass jemand sich einen vorgezogenen Impftermin besorgt hatte, das sei auch vorher schon vorgekommen. Rausch: „Die zweite Impfung sollte in der gleichen Praxis durchgeführt werden.“

Impfdosen wegzuschmeißen, lasse sich nicht immer verhindern

Dr. Bernhard Vogelsang an der Theodor-Körner-Straße bereiten Impfschwänzer inzwischen weniger Kopfzerbrechen, „weil die Impfstoffe mittlerweile länger haltbar sind“. Dennoch musste er in der vergangenen Woche zwei Dosen entsorgen: „Das können wir nicht immer verhindern.“ Probleme mache allerdings die Zweitimpfung mit Astrazeneca. „Das liegt auch an der Kommunikation der Ständigen Impfkommission.“ Denn inzwischen ist eine Zweitimpfung mit Biontech nur vier Wochen nach dem ersten Astra-Piks möglich.

Die nachlassende Impfbereitschaft, so Svenja Küchmeister, habe dazu geführt, dass im Impfzentrum täglich freie Termine zur Verfügung stünden. Die Nachrückerlisten seien abgeschafft worden. Impfdosen hätte man wegen Impfschwänzern noch nicht vernichten müssen. Die Zeitspanne, die zwischen der Anmeldung auf dem Konrad-Adenauer-Platz und der tatsächlichen Impfung im Zentrum vergehe, sei groß genug, um nicht wahrgenommene Termine rechtzeitig zu realisieren und bei den Dosen entsprechend umzuplanen.

Kreis äußert sich nicht zur diskutierten „Impfschwänzer-Abgabe“

„Wir appellieren dennoch, sich an Termine zu halten“, sagt Küchmeister. „Zehn Prozent von 2000 ist nicht gerade wenig, das ist schon sehr ärgerlich.“ Eine Meinung zur diskutierten Impfschwänzer-Abgabe habe weder die Verwaltung noch der Krisenstab des Kreises.

In der Praxis von Michael Rausch gibt es noch die Nachrückerlisten. Was den Allgemeinmediziner derzeit am meisten wurmt, sind Patienten, die ihre Termine für die Zweitimpfung wegen eines gebuchten Urlaubs oder aus anderen Gründen verschieben wollen, was aus organisatorischen Gründen unmöglich sei. Wenn sein Team den Anfragenden das erläutere, würden diese teilweise laut und sogar unverschämt. Rausch: „Wir haben auch schon Leute aus der Praxis geschmissen, wenn Grenzen überschritten wurden.“

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