
In der Käfer-Kommune herrscht eitel Sonnenschein. Die wärmenden Strahlen kommen zwar von einer Lampe, aber dennoch lassen die Insekten sich gern darin nieder. Und auch sonst gibt es im ersten Obergeschoss, zweite Wohnung links, des Terrariums im Tierpark keinen Stress. Der Tisch ist mit einem halben Pfirsich, einem halben Apfel und etwas Laub gedeckt, das Raumklima feuchtwarm, an den rauen Wänden und auf kleinen Ästen suchen die Krabbler sich ein gemütliches Plätzchen. „Das reicht, um die geringen Ansprüche des Kongo-Rosenkäfers zu befriedigen“, sagt Elisabeth Schüller, leitende Tierpflegerin des kleinen Recklinghäuser Zoos, „darum sind sie auch für private Terrarien gut geeignet.“
Unsere Tiere der Woche sind die kleinsten Bewohner der Anlage im Stadtgarten. Nachdem der Förderverein die Terrarienwand spendiert hatte, musste eine Entscheidung getroffen werden, wer in das Sechs-Parteien-Haus einziehen soll. „Wir haben uns für die Kongo-Rosenkäfer entschieden, weil sie tagaktiv sind und auch Kindern schon einen guten Zugang zu Tieren bieten.“ Die gut zweieinhalb Zentimeter großen Insekten aufzuspüren, sie bei einer Führung vielleicht auch mal anzufassen, sei kein Problem.

Dabei sind die Käfer eigentlich nicht zu übersehen. Rund 40 der gelb-braunen Tierchen, deren geschlossener Panzer an eine afrikanische Maske mit großen Augen und einem lachenden Mund erinnert, leben in der WG. „Im Terrarium ist Massentierhaltung natürlich. Die meisten Insekten leben in enger Gemeinschaft“, erklärt Elisabeth Schüller, „das beste Beispiel ist unsere Honigbiene, wo 30.000 Tiere ein Volk bilden.“
Eine von 2600 Rosenkäfer-Arten
Die Familie der Rosenkäfer ist riesig, weltweit gibt es 2600 verschiedene Arten. Den Namen haben sie, weil sie sich zum Ärger penibler Gärtner gern auf Rosengewächsen niederlassen. Auch in Deutschland gibt es Rosenkäfer, die in einem eleganten grün-gelb Metallic schimmern. Die nicht weniger aparten Kollegen aus Afrika knabbern in ihrer tropischen Heimat eher selten an Rosen. „Sie leben aber auch auf Sträuchern und Büschen, fressen gern Beeren, Früchte und Blüten“, berichtet die Fachfrau. Dass die Rosenkäfer zu den Blatthornkäfern gehören, ist übrigens nicht ihrem Appetit oder Lebensraum geschuldet. Diese Bezeichnung kommt von ihrem Kopfschmuck: Ihre Fühler haben am Ende viele Blättchen, die wie ein kleiner Fächer aussehen.
Und eben diesen zeigt nun das Kerlchen, das Elisabeth Schüller auf ihrer Hand hält. Erst ist der Käfer etwas „trantütig“, dann taut er auf und erkundet die Finger. Und während Elisabeth Schüller die Frage, ob die Insekten nicht abhauen, noch mit Nein beantwortet, öffnet unser Beobachtungsobjekt seinen Panzer, dreht die darunterliegenden zarten Flügel auf und hebt hurtig ab. „Den sehen wir nicht wieder“, räumt die überraschte Tierpflegerin ein.
Kleiner Gast aus fernen Ländern










Vögel jagen den Leckerbissen
Der Rosenkäfer fliegt dem Licht entgegen zum Glasdach, ein gefiederter Jäger nimmt sogleich die Verfolgung auf. „Das ist der Furchenschnabel-Bartvogel“, erkennt Elisabeth Schüller. Ob er oder ein anderer „Flattermann“ am Ende eine Extraportion bekommen, können wir nicht mehr sehen. Aber die sich erhebenden Vogelstimmen zeigen, dass auch die Konkurrenz den Leckerbissen entdeckt hat.
Dabei sei diese unfreiwillige Art der Fütterung nicht an der Tagesordnung, betont die Tierpflegerin: „Wir achten natürlich darauf, dass unsere Tiere nicht ausbüxen.“ Wenn unser freiheitsliebender Freund übrigens den Weg aus dem Vogelhaus gefunden hätte, wäre er keine Konkurrenz für die heimischen Arten geworden und spätestens im Winter erfroren.
Das Leben der Kongo-Rosenkäfer im Recklinghäuser Tierpark endet normalerweise natürlich nach sieben Monaten. Und es nimmt dort auch seinen Anfang. Die Weibchen, die sich nur an der Unterseite von den Herren unterscheiden, legen ihre Eier in den Boden. Nach einigen Wochen schlüpfen die Engerlinge, die wie Raupen aussehen. „Es sind auch Raupen. Aber bei Käfern heißen die eben Engerlinge, bei Fliegen Larven und bei Faltern Raupen“, erklärt die Expertin den rein sprachlichen Unterschied.
Die dicken Engerlinge verpuppen sich, rund zwei Monate später schlüpft der fertige Käfer aus dem Kokon. Der kann nun fressen, Nachwuchs zeugen und sein ruhiges Dasein fristen. Im Terrarium sorgen die Käfer selbst für einen ausgeglichenen Bestand.

In der freien Natur haben die Rosenkäfer übrigens eine für uns Menschen lebenswichtige Funktion. „Wie Bienen sind auch sie Bestäuber, die Natur und das Ökosystem brauchen sie“, betont Elisabeth Schüller. Und auch wenn der afrikanische Rosenkäfer aktuell auf keiner Roten Liste steht, bedrohen das Abholzen tropischer Wälder und der Klimawandel auch seine Existenz.
Info: Der Eintritt im Tierpark ist frei. Spenden und Patenschaften sind über den Förderverein möglich, der auch die Anschaffung der Terrarienwand mit 15.000 Euro unterstützt hat.