
Es gehe ihnen so mittelmäßig, den Umständen entsprechend, sagen die vier Jugendlichen. Victoria Domzal (18), Max Sadowski (21), Eliah Abtmeyer (19) und Leon Huber (21) besuchen regelmäßig den Kinder- und Jugendtreff Hillerheide (KJT). Wenn ein Lockdown ihnen nicht einen Strich durch die Rechnung macht.
„Wir haben alle unsere Probleme gerade, mit denen jeder anders gut oder schlecht klarkommt“, sagt Eliah. Aber sie kennen Menschen in ihrem näheren Umfeld, denen die Pandemie ganz und gar nicht gut bekommt.
Psychisch kranke Freundin rutscht im Lockdown in die Drogensucht
Eliah erzählt von einer guten Freundin, die psychisch krank ist und deren Konsum chemischer Drogen in der Pandemie zugenommen habe. „Das private Umfeld hat ihr vorher Halt gegeben. Es ist nicht schön zu sehen, wie sie abrutscht.“ Mit Beginn des ersten Lockdowns sei alles schlimmer geworden. Die Freundin verlasse nicht mehr das Haus, habe erst die Schule und dann ihren Bundesfreiwilligendienst abgebrochen.
Da erscheinen die Probleme, die ein Freund von Max hat, eindeutig geringfügiger. Im Lockdown bringe dieser es inzwischen auf acht bis zehn Stunden Bildschirmzeit an seinem Smartphone, pro Tag. Aber auch die vier Jugendlichen aus dem KJT geben an, dass sie mehr Zeit bei Instagram, TikTok, YouTube und WhatsApp verbringen. Etwa vier bis fünf Stunden täglich. „In einer Pandemie ist das zu vertreten“, meint Eliah.
Die Freiheit, sich in ein Café zu setzen
„Ich vermisse es, mich mit mehreren Leuten zu treffen. Mit zwei Personen würde ja schon reichen“, sagt Victoria. Ihr fehle die Freiheit, sich jederzeit in ein Café setzen und quatschen zu können. „Ich vermisse auch die Schule, im Unterricht bin ich besser klargekommen als im Homeoffice, weil Probleme dort sofort gelöst werden.“
Leon hat bereits zwei seiner Geburtstage im Lockdown erlebt, so auch den 18. „Ich habe mich danach gesehnt, ab da das ganz normale Leben eines 18-Jährigen führen zu können. Das kenne ich nur aus Erzählungen“, sagt der heute 19-Jährige, der im vergangenen Jahr sein Abitur gemacht hat. Seit der fünften Klasse an seiner Schule habe er sich auf die Mottowoche gefreut, die dann ausfallen musste. Und auch der anschließende Urlaub mit den Freunden sei plötzlich nicht mehr möglich gewesen. „Ich vermisse diese Freiheit. Diese Freiheit, wenn man 18 wird.“
„Die ersten vier Wochen im Lockdown war ich alleine zu Hause“, sagt Max. Dann habe er begonnen, mit einem Freund spazieren zu gehen. Schließlich habe er sich nicht mehr nur mit einer einzigen Person treffen wollen. Aus dem einen Freund seien dann vier oder fünf geworden. Wenn das Wetter es zugelassen habe, hätten sie sich draußen aufgehalten, bei Regen unter dem Terrassendach.
Angebote
Der Kinder- und Jugendtreff Hillerheide der Caritas an der Heidestraße 25 ist offen für alle von 6 bis 27 Jahren. Schwerpunkte der Arbeit im Jugendbereich sind neben reinen Freizeitangeboten die gesellschaftspolitische Arbeit, Musikprojekte, Sportangebote und Kochprojekte. Aktuell ist der Treff für Jugendliche montags, dienstags und freitags von 15.30 bis 19.30 Uhr geöffnet. Der Nachmittagsbereich gehört den Kindern mit Kreativ-, Back-, Koch- oder Spielangeboten.
Alte Hobbys fehlen, neue werden entdeckt
„Ich komme relativ gut klar in der Pandemie“, sagt Leon, der als chemisch-technischer Assistent arbeitet. Erst im März ist er von zu Hause ausgezogen, wo die Großeltern und andere nahe Verwandte im gleichen Haus oder nebenan gewohnt haben. Die Kommunikation sei dann über den Balkon gelaufen. Seit seinem Auszug haben die privaten Kontakte nachgelassen, den meisten Menschen begegne er jetzt noch bei der Arbeit.
Leon ist Sportschütze. „Ich bin sportlich auf einem hohen Niveau gewesen. Mein letztes Training war im November. Die Ligameisterschaft hatte angefangen, das liegt jetzt alles auf Eis. Mein Hobby fehlt mir.“ Die Carrerabahn im Jugendtreff, der erst seit einigen Tagen wieder öffnen darf, sei jetzt seine neue Freizeitbeschäftigung.
1000 Kilometer mit dem Rennrad im ersten Lockdown
Auch Victoria hat ein neues Hobby gefunden. Sie lese jetzt noch mehr als vorher, zudem habe sie damit begonnen, Schmuck zu basteln, erzählt die 18-Jährige. Eliah haben die Pandemie-Einschränkungen zu sportlichen Höchstleistungen angetrieben. In den ersten vier Wochen Lockdown habe er 1000 Kilometer mit dem Rennrad zurückgelegt. Max, der Pfadfinderleiter ist, hat das Erkunden von „Lost Places“ für sich entdeckt.
Für Clubbesuche und große Partys hat das Quartett nicht viel übrig. Das Feiern vermissen Victoria, Max, Eliah und Leon nicht. Sie bevorzugen Kneipen, Cafés oder private Treffen mit Freundinnen und Freunden. Illegale Partys hätten sie nicht besucht, wohl aber davon mitbekommen. Ein Rave habe während des ersten Lockdowns am Rhein-Herne-Kanal in der Nähe des Herner Meers stattgefunden – durchorganisiert, mit Musikanlage und Lichtmaschine. Die Polizei habe die Party irgendwann aufgelöst.
In die Kneipe, sobald es wieder möglich ist
Max zieht die Gaststätten in der Altstadt vor. Genau so Eliah: „Sobald es geht, werde ich mich mit Freunden gemütlich in die Kneipe setzen und Karten spielen und trinken.“ Vor der Pandemie habe er sich Tickets für Konzerte gekauft. Nur zwei davon hätten noch stattgefunden. Dass die anderen an den geplanten Nachholterminen in diesem Jahr über die Bühne gehen, bezweifelt er.
Hinsichtlich der Lockerungen haben sich die vier aus dem KJT vor allem über den Wegfall der Ausgangssperre gefreut. Es gebe jetzt keinen Zeitdruck mehr bei Treffen mit Freunden. In die Außengastronomie habe es sie bislang noch nicht gezogen.
Einige der Corona-Maßnahmen sehen sie kritisch. Victoria: „Ich darf mit 20 fremden Menschen Bus fahren, aber nicht mit zwei Arbeitskollegen im Auto. Das macht doch keinen Sinn.“ Eliah ergänzt: „Dass er sich zu 100 Prozent an alles gehalten hat, kann glaube ich kein Mensch von sich behaupten.“