
Hallo? Wo sind denn hier Funkgerät und Fernglas? Oder die Lupe und die Pinzette für die kleinen Beweisstücke? Jürgen Krieger (53) und Marcel Krause (35) reagieren auf solche Fragen nur mit einem coolen Lächeln. Gelassen greifen sie zu ihren schnittfesten Handschuhen und schreiten zur Tat: Schließlich gilt es, Säcke aufzureißen, Kartons zu zerschneiden, immer auf der Suche nach verräterischen Beweisen, den Tätern dicht auf der Spur. Das sind Umweltsünder, die skrupel- und gedanken- (oder hirn-)los ihren Müll überall in der Stadt abladen. Dabei stoßen die Spürnasen auch schon mal auf Schweineköpfe und gammeliges Fleisch, wie zum Beispiel in der hintersten Ecke des Askania-Parkplatzes Am Stadion.
Mit dem KSR-Hauptquartier in ständigem Kontakt
Schweineköpfe? „Tja“, sagt Marcel Krause, als sei das etwas Alltägliches, „es gibt nichts, was es nicht gibt“ – im Leben eines Müll-Detektives. Und sein Partner lacht. Längst sind sie ein eingespieltes Team. Seit vier Monaten. Ein Blick aufs Tablet genügt. Es lebe das Internet. Das Duo muss nicht extra ins Hauptquartier der KSR (Kommunale Servicebetriebe Recklinghausen) zum Beckbruchweg fahren. Die beiden sind mit der Zentrale vernetzt, haben sofort Zugriff auf Beschwerden und wilde Müllkippen, die die Recklinghäuser telefonisch per App melden.

Außerdem fahren Holmes und Watson, sorry, Krieger und Krause, die „Hotspots“ der Stadt an, beliebte Ecken, die Dreck und Unrat offenbar magisch anziehen, sei es die Brandheide, der Waldfriedhof oder die Mollbeck. Dabei gucken sie natürlich ständig rechts und links, haben Straßen und Einfahrten im Blick. Fällt ihnen etwas auf, treten sie auf die Bremse. Und die Detektiv-Arbeit im Kampf gegen die steigende Zahl der wilden Müllkippen beginnt. Im Jahr 2020 gab es davon 803 in Recklinghausen. Zum Vergleich: 2019 waren es 545. Und die Detektive sind erfolgreich. Patrick Münnich, KSR-Bereichsleiter „Prozessoptimierung“, spricht von einer rund 30-prozentigen Aufklärungsquote. 174 Fällen war das Team allein im Start-Monat April auf der Spur.
Anwohner stellen Sperrmüll Wochen zu früh an die Straße
Tatort Hochlarmark, Stuckengründe, um genau zu sein. Dort liegt vor der Tür eines Mehrfamilienhauses Sperrmüll. Ordentlich stapeln sich Bretter, ein Lattenrost und Teile eines grauen Sofas. So weit, so gut. Das Dumme: „Der Abfuhrtermin ist erst in zwei Wochen“, erklärt Krause und drückt auf die Klingel. Ein junger Mann öffnet verschlafen die Tür. „Guten Morgen, wir kommen von der Stadt Recklinghausen“, sagt Krieger, „ist das Ihr Sperrmüll?“ Pause. „Jaaaaa.“ Der „Täter“ ist geständig.

Manchmal verschwinden die Abfallsäcke auch wieder
Szenenwechsel. Hillen. Ein Bürger hat sich über Säcke vor einem Haus beschwert. Die Detektive nehmen die Spur auf. Aber: Da ist nichts. Rein gar nichts. Auch das gehört zum Arbeitstag der Spürnasen. Der Abfall ist verschwunden, wenn sie auftauchen. „Wahrscheinlich hatte ein Mieter ihn zwischengelagert und dann weggebracht“, vermutet Krause. Die zwei sind nicht böse darüber, müssen also – bei größeren Mengen – weder ihre Kollegen zum Abtransport des Unrats rufen noch den Dreck selbst einpacken. Folglich bleibt ihnen diesmal das Klingeln an den Türen, das Nachhaken und Fragenstellen („Haben Sie etwas gesehen?“, „Können Sie sich das erklären?“) erspart.

Vor allem bei Verdächtigen gehen die KSR-Männer vorsichtig vor. „Wir beschuldigen keinen. Denn dann leugnet er sofort“, berichtet Krieger. Vielmehr sind Feingefühl und Taktik gefragt. All das, was die beiden zuvor im Kommunikations-Training gelernt haben. Aber manchmal ist die Lage offensichtlich, reicht ein Griff in den Abfallberg – und siehe da: ein Adressaufkleber. Na, so was! Und plötzlich hat der Umweltsünder nur die eine Erklärung: „Da hat mir einer meinen Müll geklaut und woanders hingelegt.“ Diese Ausrede finden Krieger und Krause nicht sehr originell.
Oft gibt es keine Beweise, dafür aber jede Menge Indizien
Und weiter geht es: wieder zurück nach Hochlarmark. Neben weißen Reihenhäusern türmt sich der Bauschutt. Das kann teuer werden: zwischen 100 Euro und in besonders schweren Fällen bis zu 50.000 Euro Bußgeld. Die Detektive sind sich einig. Die Indizienlage ist eindeutig. „Die neuen Anwohner kippen ihren Dreck einfach vor die eigene Haustür“, berichtet Krause und schüttelt empört den Kopf. Wie so oft. Allerdings: „Wir haben keine Beweise“, sagt sein Kollege. Noch nicht. Ein Trost: Seitdem sie regelmäßig auftauchen, lässt die Müll-Flut nach.
Immer wieder erleben Krieger und Krause, dass die Menschen zu faul sind, ihren Müll zur Umladestelle zu bringen, keine Lust haben, die Sperrmüllabfuhr zu bestellen oder Geld sparen wollen. Denn mancher Abfall kostet extra. Auf frischer Tat haben „K & K“ aber bislang niemanden ertappt. Doch was nicht ist, kann noch werden. „Einsätze am Abend sind geplant“, verrät Patrick Münnich. Vielleicht setzen Sherlock Holmes und Dr. Watson dann Nachtsichtgeräte ein.