
Tatsächlich ist der frühere Apotheker, der lange in Berlin gelebt hat, aber jetzt im Nordviertel wohnt, vor Kurzem an unsere Redaktion herangetreten – mit genau dem oben genannten Wunsch. Warum nicht ein neues Stadttor bauen, zum Beispiel an der Augustinessenstraße, unmittelbar neben der Engelsburg? Weil das jedoch erst einmal eine ziemlich ungewöhnliche Idee ist, haben wir mal Kontakt zu Wolfgang Bauer aufgenommen, um festzustellen, dass er allemal im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist und das durchaus ernst meint.
Wenngleich er nicht ganz frei von Zweifeln sei, wie er selbst sagt: „Kann auch sein, dass das eine Flitzidee ist.“ Doch die Geschichte hat einen Unterbau: Wolfgang Bauer, der 1943 in Duisburg geboren wurde und 1955 erstmals über Umwege nach Recklinghausen gekommen war, ist oft im Stadtgebiet unterwegs – und das offenbar auch mit offenen Augen. Und dabei seien ihm an der einen oder anderen Stelle Steine aufgefallen, die so aussehen, als hätten sie einmal zur Stadtmauer gehört. „So im Stadtgarten, am Lohtor oder auch an den Mauern am Beisinger Weg, um nur einige Beispiele zu nennen. Zuletzt tauchten auch am Neubau neben dem Knappschaftskrankenhaus solche großen Sandsteine auf.“

So kam er ins Grübeln: „Es gibt doch bestimmt noch weitere Lagerstätten, von denen nicht jeder weiß. Da könnte man doch einen Aufruf unter den Recklinghäusern starten“, dachte sich Wolfgang Bauer. Und wenn dabei genügend Steine, also Baumaterialien, zusammenkämen, dann könnte man doch darüber nachdenken, ein Stadttor zu errichten. „Berlin und Potsdam haben schon Schlösser neu gebaut, warum sollte das hier nicht mit einem Stadttor gelingen?“, fragt Wolfgang Bauer, dessen Vater Ende der 50er- und Anfang der 60er-Jahre mal das Gewerbeaufsichtsamt in Recklinghausen geleitet hatte.

Die Vorstellung bleibt ungewöhnlich, und so haben wir mal beim Historiker Dr. Werner Koppe, der mit unserer Redaktion aufgrund zahlreicher Artikel und auch zweier Buchveröffentlichungen verbunden ist, nachgefragt. Wenig überraschend glaubt dieser, dass Wolfgang Bauers Vision keine echte Chance auf eine Realisierung habe: „Zumal keineswegs alle Steine, die er im Stadtgebiet gesehen hat, von der Recklinghäuser Stadtmauer stammen.“ Und vor allem der Standort an der Engelsburg sei für eine potenzielle Rekonstruktion denkbar ungeeignet: „Dort hat es tatsächlich nie ein Stadttor gegeben.“

Gleichwohl schaudert es Dr. Koppe, wenn er daran denkt, wie leichtfertig gerade auch im vergangenen Jahrhundert die Geschichte der Stadt mit Füßen getreten wurde – am Paulsörter, an der Turmstraße in Lohtor-Nähe und anderen Stellen. Und auch die Stadtmauer, die in der Zeit von 1345 bis 1365 mit Steinen vom Stimberg hinter dem heutigen Oer-Erkenschwick errichtet wurde, wurde arg gerupft, gerade um 1900, als der Bau des Wallrings begonnen hat.
Die Mauern waren bei der Expansion der Stadt genauso im Wege wie zum Beispiel auch der Halbturm neben dem Schlauchturm der späteren Feuerwehr, und so wurde alles sukzessive abgebaut. Abschnittweise wurden die Mauern versteigert, die abgerissenen Steine wurden schließlich gerne in Kellern verwendet, so findet man heute noch welche unter anderem in der einstigen Seilerei Albers an der Ecke Holzmarkt/Caspersgässchen. Aber auch beim Bau des ersten Prosper-Hospitals sollen sie benutzt worden sein.

Was bedeutet: So ganz falsch ist die Annahme von Wolfgang Bauer also nicht, dass Stadtmauer-Steine überall im Stadtgebiet verstreut seien. Und auch Dr. Koppe erinnert an eine kleine Mauer vor dem Petrinum-Neubau, bei dem möglicherweise Original-Steine verwendet wurden: „Aber der Standort hat mit der früheren Stadtmauer nichts zu tun.“ Und auch im Hof des Stadtarchivs an der Hohenzollernstraße soll sich laut Wolfgang Bauer ein Haufen Stadtmauer-Steine befinden. Was Dr. Koppe nur bestätigen kann: „Die waren wohl mal Bestandteil einer Ausstellung.“ Aber: Für einen potenziellen Stadttor-Bau würde das wohl immer noch nicht reichen.