Kinderarzt fordert: Gebt Jungen eine Chance! „Nachreifen, ohne auf die Schnauze zu fallen“

Jungen mit Schulranzen von hinten fotografiert.
Lesermeinung zum Leserbrief. Ein Kinderarzt fordert: Gebt Jungen eine Chance!: „Nachreifen, ohne auf die Schnauze zu fallen“ © dpa/Grafik eul
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Zu unserem Kommentar „Jungen müssen gefördert werden, nicht Mädchen“ erreichte uns der folgende Leserbrief von

Dr. med. Andreas Schmutte aus Datteln, der seit 40 Jahren als Kinder- und Jugendarzt arbeitet:

„ Es sind in diesem Kommentar genau die Erfahrungen, die wir als Sozialpädiater schon immer gemacht haben: Bereits die Fremdelphase, (eine frühe Entwicklungsphase des Säuglings, wo er lernt, Menschen, die zu ihm gehören von denen zu unterscheiden, die nicht zu diesem Kreis gehören: anlachen oder weinen) fängt bei den Mädchen mit drei bis vier Monaten an und bei den Jungen 2 Monate später. Die Schere in der Entwicklungsgeschwindigkeit setzt sich fort in den nächsten Jahren (manche Frauen sagen, das höre nie auf …). Bei der Einschulung haben die Mädchen einen Entwicklungsvorsprung von durchschnittlich einem halben Jahr! Dieses setzt sich, wie in dem Kommentar beschrieben, fort bis ins Studium.

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Ein Aspekt kommt hinzu: Wenn ich Erfolg (in der Schule) habe, mache ich etwas lieber, als wenn ich keinen Erfolg habe, sprich: Wenn ich in den ersten Schuljahren zu den besseren Schülern gehöre, ist die Motivation für weiteres engagiertes Mitarbeiten größer, als wenn ich immer wieder darum kämpfen muss, in der Schule nur den Anschluss zu halten.

Es gibt bei uns in NRW die Möglichkeit, die ersten zwei Schuljahre in zwei oder drei Jahren zu machen: Alle Kinder, die vor dem 01.10. eines Jahrgangs geboren sind, werden eingeschult. Es gibt leider nur wenige Ausnahmen, die genehmigt werden.

Wenn dann der kleine Paul, der immer schon mit seiner Entwicklung etwas hinten dranhing, auch mit viel Unterstützung durch die Eltern (oder auch vielfach nicht) nach zwei Jahren überhaupt keinen Bock auf Schule mehr hat, dann wird er evtl. zurückgesetzt. Aber nur, wenn die Eltern sehr beharrlich darauf bestehen, denn die Klasse, in die er dann kommt, ist schon voll.

Also erstmal die Kinder scheitern lassen, keinen Bock mehr auf Schule und dann evtl. nachbessern: Was für eine Pädagogik ist das, die unsere Kinder nicht maximal fördert, sondern erstmal darauf schaut, dass es dem System und denen, die darin arbeiten, gut geht und die Klassen nicht überfüllt sind.

Ich vermisse unsere Vorschulen. Da hatten die noch nicht so reifen Kindern noch ein Jahr Zeit, ,nachzureifen‘, ohne auf die Schnauze fallen zu müssen.

Gebt den Jungen eine Chance: Unsere Kindergärten und Schulen sind weiblich (habe ich auch kein Problem mit, gibt sicher weniger Krieg), aber in den Grundschulen wird immer noch erwartet: ruhig sitzen, schön malen und singen. Keinen interessiert, wie ich toben, einen Fußball schießen oder von der Schaukel springen kann.

Unsere Kinder müssen viele Jahre zur Schule gehen und unsere Aufgabe ist es, ihnen zu vermitteln, Lernen und Schule macht Freude. Freude machen Dinge, die ich gut kann und für die ich gelobt werde.

Warum verstehen das unsere sogenannten Pädagogen an den entscheidenden Stellen nicht? Oder wenn sie es verstehen, warum ändern sie es nicht?“

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