Zwei Jahre nach der Jahrhundertflut Wie geht der Aufbau voran?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (vorne) steht am Ufer der Ahr, rechts neben ihm Roger Lewentz (SPD), Innenminister von Rheinland-Pfalz.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (vorne) steht am Ufer der Ahr, rechts neben ihm Roger Lewentz (SPD), Innenminister von Rheinland-Pfalz. © picture alliance/dpa/AP Pool
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Die Flutkatastrophe vom Juli 2021 wütete in vielen Städten und Gemeinden – allein in Nordrhein-Westfalen starben 49 Menschen. Wie sieht es heute, zwei Jahre danach, dort aus, wo die größten Wassermassen ihr Unheil anrichteten? Haben die Menschen die Katastrophe verarbeitet?

Vor allem in der Eifel, der Region um Aachen und Bonn, in Hagen und in Teilen des Bergischen Landes gingen um den 14. Juli 2021 extreme Niederschläge und Starkregen nieder – es gab große Schäden. Besonders betroffen war der ländliche Kreis Euskirchen, wo 26 Menschen starben. In Bad Münstereifel wurde die beschauliche Erft zu einer zerstörerischen Macht. Und in dem bei Wanderern beliebten Gemünd stand das Wasser meterhoch. Inzwischen sind viele Schäden äußerlich behoben. Und: Die Antragsfrist für Hilfen wurde verlängert.

Die schöne Bad Münstereifel ist wieder eine Attraktion für Ausflügler und nicht für Hochwasser-Touristen. An der Haupteinkaufsmeile zwischen den Stadttoren haben die Geschäfte wieder eröffnet, die Besucher flanieren. Noch ist nicht alles gepflastert. „Die letzten schweren Arbeiten, etwa der Neubau von Brücken, werden in den kommenden Wochen abgeschlossen“, erklärt die Stadt. Die Straßen sind repariert. Straßen.NRW kümmert sich nun um hochwassergeschädigte Hänge und Brücken. Über die Erftbrücke in Euskirchen soll noch im Juli der Verkehr auf allen vier Spuren fließen.

Ende November soll in Jülich die neue, 9,5 Millionen Euro teure Rurbrücke fertig sein. Wegen des Hochwassers vor zwei Jahren kann die 165 Kilometer lange Eifelstrecke zwischen Köln und Trier immer noch nicht vollständig befahren werden. Derzeit baut die Bahn an dem zehn Kilometer langen Abschnitt zwischen Kall und Nettersheim. Der von der Flut verdreckte Schotter wird an Ort und Stelle mit einer Aufbereitungsanlage wieder einsatzfähig gemacht. Im zweiten Quartal 2024 soll die Bahn wieder bis Trier durchfahren.

„Es gibt immer noch Menschen, die zum ersten Mal kommen“

Die 14 Kilometer lange Bahntrasse zwischen Euskirchen und Bad Münstereifel soll Ende dieses Jahres wieder intakt sein. Bad Münstereifel hat derzeit zwar einen Bahnhof, aber keine Gleise. Wiederaufbau Dafür stehen in Nordrhein-Westfalen 12,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Im Juli 2023 waren davon erst 3,1 Milliarden Euro bewilligt worden für Privathaushalte, kommunale Infrastruktur und Unternehmen der Wohnungswirtschaft, berichtete das NRW-Bauministerium. Rund 25.000 Anträge von privat geschädigten Menschen für Wiederaufbauhilfen sind gestellt. Davon sind laut Ministerium 92 Prozent abschließend bearbeitet.

Heike Schneider, die Leiterin der Stabsstelle Wiederaufbau beim Kreis Euskirchen, sagt, der Beratungsbedarf sei sehr hoch. Fachleute helfen beim Ausfüllen der komplizierten Online-Formulare. „Es gibt immer noch Menschen, die zum ersten Mal kommen“, berichtet Schneider. Fast alle Terminangebote würden genutzt. Fristen Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) sagt, der Wiederaufbau in Nordrhein-Westfalen komme große Schritte voran. „Daneben gibt es jedoch auch Betroffene, die es bisher – sei es aus emotionalen Gründen oder aufgrund des Alters – noch nicht geschafft haben, einen Antrag zu stellen“, sagt die Ministerin. Die Antragsfrist wurde verlängert auf den 30. Juni 2026, die Bewilligungsfrist auf den 31. März 2030.

An der Steinbachtalsperre drohte ein Dammbruch

Die Steinbachtalsperre war ein Brennpunkt während der Flut. Ein Dammbruch drohte. Tausende Bewohner mussten die unterhalb gelegenen Dörfer verlassen. Die südlich von Euskirchen gelegene Talsperre ist immer noch leer. Gutachten und Berechnungen sind nötig. Das Bauwerk aus den 1930er Jahren soll wieder Brauchwasser für Bauern und Löschwasser für Feuerwehr sowie Hochwasserschutz bieten. Viele warten darauf, dass das denkmalgeschützte Waldfreibad wieder öffnet. In der Krisennacht gab es zeitweise kein Telefon, Mobilfunk und Internet in der Eifel. Der Kreis Euskirchen hat daher 174 Notfallmeldestellen eingerichtet. Sie werden künftig mit Einsatzkräften besetzt, falls die Notrufe 112 und 110 großflächig ausfallen sollten.

Viele Betroffene brauchen weiter eine stützende Hilfe. Dies werde noch mindestens zwei Jahre geleistet, versichert die Hilfsorganisation Die Malteser, die in Gemünd das Fluthilfezentrum Schleidener Tal betreibt. Auch in Hagen bleibt das Hochwasserbüro der Arbeiterwohlfahrt bis 2025 offen. Der Bedarf an Unterstützung sei nach wie vor hoch, erklärt die AWO. Nach dem traumatischen Ereignis kommen viele Menschen nur langsam in den Alltag zurück, wie er vor der Flut war. Auch zwei Jahre danach wohnen Menschen noch in provisorischen Unterkünften.

Schäden an Verkehrsinfrastruktur in NRW fast vollständig behoben

Der Wiederaufbau der durch die Hochwasserkatastrophe beschädigten Verkehrsinfrastruktur ist fast abgeschlossen. Das teilte das NRW-Verkehrsministerium am Donnerstag in Düsseldorf mit. „Beim Schienenverkehr sind wir auf einem guten Wege“, erklärte Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne). Ein Großteil der durch das Hochwasser beschädigten Straßen sei inzwischen wieder aufgebaut. Es gebe nur noch zwei Straßensperrungen, nämlich auf der L924 zwischen Velbert-Nierenhof und Wuppertal sowie die Rurbrücke in Jülich. In die Beseitigung der Schäden an Bundes- und Landesstraßen, Brücken und Tunneln wurden nach Angaben des Ministeriums rund 120 Millionen Euro investiert.

Durch die Sturzfluten und massiven Überschwemmungen in der Unwetterzeit vom 13. bis zum 15. Juli 2021 entstand ein Milliardenschaden an Infrastruktur und Gebäuden. In Nordrhein-Westfalen wurden im Bereich des Landesbetriebs Straßen.NRW rund 116 Bauwerke wie Brücken, Lärmschutzwände oder Stützwände und zwei Tunnel erheblich beschädigt, so die Bilanz des Ministeriums. 15 der Brücken mussten neugebaut werden. Außerdem gab es 91 Hangrutsche und viele Schäden an Fahrbahnen.

Das Landesumweltamt Lanuv erwartet, dass meteorologische Extremereignisse künftig häufiger auftreten. Seit dem Beobachtungsbeginn im Jahr 1881 sei die Jahresmitteltemperatur in NRW um 1,7 Grad Celsius gestiegen. Im vorigen Jahr habe es einen neuen Rekord bei der Jahresmitteltemperatur mit 11,2 Grad gegeben, teilte das Umweltministerium mit.

dpa/seh

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