
„Eine Schlange, die sich nicht häutet, stirbt“. Friedrich Nietzsche entfuhren in seinem Leben so einige tiefgründige Sprüche. So stand er dem Tod doch insgesamt näher als dem Leben, was er mittelfristig dann auch verließ.
Menschen ähnlich geistigen Kalibers finden sich dieser Tage eher selten. Um die thematisch aufwendig gebaute Brücke nun aber doch zu schlagen, zurück zum Anfang: Schlangen. Häuten. Sterben. Aufbäumen. Abreißen.
Der Hertener Musiker „Snakebyte“ wählte nicht nur einen ziemlich akkuraten Namen, um seiner Reptilophilie Ausdruck zu verleihen. Für sein bombastisches Debüt „Mouth of a Serpent“ griff er beherzt in die rhetorische Schlangengrube und kreierte eine ganz besonders geladene Partitur.
Das E-Cello hängt nun am Nagel
Die vergangenen Jahre waren für Snakebyte eine turbulente Berg- und Talfahrt der mentalen Kapazitäten. Umso weniger verwunderlich ist es, dass die geschundene, metaphorische Haut schlussendlich runter musste. Dafür legte er nicht nur sein Signature-Instrument, das E-Cello, vorübergehend beiseite, auch andere maßgebliche Regelmäßigkeiten des eigenen Lebens mussten verändert werden.
Dringlich, denn sonst, frei nach Nietzsche, wäre vielleicht auch er der geistigen Umnachtung zum Opfer gefallen. Da das moderne Zeitalter aber heilsame Hausmittel, wie Software zur Beatproduktion oder Bewegtbildequipment parat hält, hat er sich einfach mal in den kreativen Wahnsinn geschwungen und die anstrengenden Tage effizient und meisterhaft zu einer audiovisuellen Abhandlung transformiert, die sich durchaus sehen und hören lassen kann.
Messerscharfe Punchlines dominieren die neue Musik
Dort, wo einst das besagte Cello den Fokus zeichnete, wird nun mit messerscharfen Punchlines gezüngelt und sich ganz dem Rap hingegeben. „Mouth of a Serpent“ ist Zerstörungswut, Bösartigkeit und düstere Tristesse. Wichtig, dass es den Weg ans Tageslicht gefunden hat.
Die Zeilen belegen, weshalb alles andere toxisch geendet hätte. Diese produktive Art, mit problematischen Emotionen wie Zorn und Raserei umzugehen, ist nicht nur eine wunderbare Alternative für Menschen, deren Freizeitbeschäftigung daraus besteht, Leute im Internet zu beleidigen, es ist auch musikalisch betrachtet frischer Wind in der lokalen Musikszene.
Rap ist glücklicherweise keine Rarität im Kreis Recklinghausen. Wir haben Tizzle, der sich die jazzig-soulige Nische fein eingerichtet hat. Wir haben die Kingz auf der Stage, die mit lautem Gebrüll ins Gefecht ziehen und die Wurzeln des guten, alten Battlerap renovieren. Wir haben Gap, der straight in the feels geht und das Herz berührt.
Und jetzt, endlich, haben wir Snakebyte, der das melodische Lasso einen Schnuff weiter wirft und sich eher amerikanischen Klängen á la Hollywood Undead widmet. Auf die sogenannte Fresse, unverblümt, ein bisschen gemein, aber sehr authentisch.
Eine Bereicherung für die lokale Musik-Szene
Wünsche niemandem was Schlechtes, aber wenn das dabei rumkommt, wenn man ihn ein bisschen ärgert, dann darf das durchaus in regelmäßigen Abständen mal passieren. Ein unbefriedigendes Gespräch mit einem Handyanbieter im Monat vielleicht. Sowas.
Privat muss ich sagen, sehr raffinierte Sache, ein bisschen Comeback der Scene-Kid-Jugend aufzurollen, ohne Pop-Punk noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Es passiert zu viel Travis Barker in der Welt.
Schön, dass nun auch Snakebyte die Bühne der auf Kohle fußenden Bühne des Ruhrpotts betreten hat. Gern mehr davon. Unterstützt ihn gerne auf seinem YouTube-Channel und auf Social Media.
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