
Es gibt Situationen und Phasen im Leben, da kommt man einfach nicht alleine durch. Egal, wie lieb die Freunde sich um einen kümmern und die Familie einem den Rücken stärkt.
Irgendwann hilft es alles nichts mehr und man benötigt professionelle Hilfe, um aus seiner Traurigkeit und seinen Problemen herauszukommen.
Generell würde man denken, dass man in einem modernen Land wie Deutschland mit einem einigermaßen funktionierenden Gesundheitssystem diese Angelegenheit doch easy angehen kann, zumindest was das organisatorische betrifft, oder? Der harte Teil kommt doch erst, wenn man einer Therapeutin oder einem Therapeut sein Leid klagt. Denkt man. Ist aber nicht so.
Nur wenige Therapeuten mit Kassensitz
Der schwierigste Teil scheint es tatsächlich zu sein, jemanden zum Reden zu finden – und die Krankenkasse davon zu überzeugen, dass man diese Person auch wirklich nötig hat. Das Problem ist nicht, dass es zu wenig Menschen gibt, die Psychologie studiert haben und in diesem Beruf arbeiten. Das Problem ist, dass von diesen Leuten nur wenige von gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden, also einen sogenannten Kassensitz haben.
Wer Kohle hat, kann problemlos auch zu den privaten Praxen gehen und sich dort den Kummer von der Seele reden. Wer allerdings eher keine 100 Mäuse für eine Stunde reden ausgeben kann, der muss in den sauren Apfel beißen und erstmal telefonieren, telefonieren, telefonieren. Und falls da mal jemand dran geht, bekommt man nur zu hören, dass die Warteschlangen sehr lang sind oder gar geschlossen.
Schwierige Suche von allen Fachärzten bekannt
Man fühlt sich fast wie Joseph von Nazareth nur ohne eine schwangere Maria im Schlepptau. Alle lehnen einen ab und schlagen einem gefühlt die Tür vor der Nase zu. Ich meine, wir kennen dieses Spiel im Grunde genommen ja von jedem Facharzt. Wer kurzfristig versucht, bei einem Orthopäden oder einem Neurologen einen Termin zu bekommen, wird vermutlich lauthals ausgelacht. Noch schwieriger ist es, als neuer Patient beispielsweise bei einer Frauenärztin aufgenommen zu werden. „Wir nehmen niemanden mehr auf…“ Hm, das ist aber schlecht.
Das Problem bei der Suche nach einem Therapeuten ist jenes, dass man ja nicht ohne Grund einen Therapeuten braucht. Meist sitzt da eine fette Depression auf der Lauer, die es noch schwieriger macht, fleißig auf die Suche zu gehen und sich nicht von jedem Rückschlag entmutigen zu lassen.
Zusätzliche Last für Depressive
Wer depressiv ist, der weiß, wie schwer es sein kann, morgens überhaupt aufzustehen. Wie soll man da bitte noch zum Telefon greifen und sich mit der Krankenkasse rumärgern, ob diese nun die Kosten übernimmt?
Das System ist beschissen und es ist nicht ohne Grund so. Der Staat will nicht, dass psychisch kranke Menschen schnell einen Therapieplatz bekommen, sonst würde er die Hürden nicht so hochsetzen. Besser scheint es zu sein, im Nachhinein über die zahlreichen Suizide im Land zu klagen.
2020 waren es 9.206, 2021 9.041 Personen. Wer weiß, wen man davon mit einer besseren Zugänglichkeit zu Therapieplätzen hätte retten können.